Memphis Tours

Sonntag, 16. April 2023

Burgen, Berge, Beduinen - über das Sultanat Oman

Als landschaftlich wie kulturell faszinierendes Reiseziel hat sich das Sultanat Oman erfolgreich auf der touristischen Weltkarte etabliert.

Qaboos ist überall. Ob in quirligen Souks oder winzigen Supermärkten, ob in pompösen Hotelfoyers oder schlichten Restaurants – omnipräsent lächelt der freundliche Mann mit dem sorgfältig gestutzten silbrigen Bart und dem traditionellen omanischen Kopfschmuck seinen Landsleuten zu. Das Besondere daran: Qaboos regiert mit absoluter Macht und genießt dennoch ein unvorstellbares Maß an Beliebtheit, Verehrung und Popularität.

Was nämlich der Sultan in vierzig Jahren Regentschaft für den Oman geleistet hat, ist ohne Beispiel in der arabischen Welt. Als er 1971 seinen Vater unblutig aus Amt und Palast putschte, war das Land ein bettelarmer isolierter Feudalstaat. Heute verbinden mehrspurige Nationalstraßen entfernteste Bergregionen, verfügt selbst das kleinste Dorf über eine Schule, erhalten alle Bürger kostenlose medizinische Versorgung in bestens ausgestatteten Krankenhäusern. Und viele andere Sozialleistungen mehr.

Den Oman in ein modernes Land mit Wohlstand für alle zu verwandeln und dabei keineswegs die Traditionen aus dem Auge zu verlieren, ist ein weiteres Verdienst des Landesvaters. Beispielhaft etwa die aufwändige Restaurierung diverser Burgen, Forts und Wachtürme, von denen es im Nord - Oman geradezu wimmelt.

Nakhal zum Beispiel. Eine Stunde westlich der Hauptstadt Muscat thront inmitten einer üppigen Oase am Fuß des Hajar - Gebirges die mächtige Festung mit sechs Wehrtürmen, deren Ursprünge mehr als eintausend Jahre zurückreichen. Vollständig und vorbildlich restauriert, erstaunt die wuchtige Anlage nicht nur durch ihre Trutzhaftigkeit; sie gehört auch zu den wenigen Forts im Oman, deren Räume möbliert und mit Exponaten wie traditionellen Küchengerätschaften und Waffen ausgestattet sind.

Ein herausragendes Beispiel für die ganze Pracht moderner islamischer Baukunst repräsentiert die Sultan Qaboos Grand Moschee in Muscat. Das imposanteste und einzige Gotteshaus im Oman, das auch Nichtmuslime betreten dürfen, bietet Platz für 20.000 Gläubige und steckt voller Superlative. Fünf Minarette etwa symbolisieren die fünf Säulen des Islam. Der Kuppel - Kronleuchter ist ein 15 Meter hohes und acht Tonnen schweres Unikat aus Svarovski - Kristall. Und der 4.263 Quadratmeter riesige Teppich – ein Meisterwerk persischer Webkunst – zählt zu den größten der Welt.

Frappierend ist aber auch die Freundlichkeit des Omani im kleinen Moschee - Infocenter. Erst serviert er Datteln und Kaffee, dann folgt ein entspanntes Gespräch über Sultan, Islam, Koran und Oman generell. Und sogar gegen ein Abschiedsfoto hat er nichts einzuwenden – so eine Chance auf ein schönes Porträt bekommt man im Oman nicht immer so schnell.

Manche seiner Schätze gibt das Land aber auch nicht so leicht preis. Eben noch auf schnurgerader Autobahn unterwegs, rumpeln wir jetzt über rauen Schotter durch wilde Kulissen. Guide Rachim und sein Geländewagen zeigen, was in ihnen steckt, und zur Belohnung gibt´s eine dicke Überraschung. Im Wadi Arbayeen nämlich strahlt eine ganze Kette von Naturpools in verschiedenen Grün - und Blautönen um die Wette – ein entzückender Kontrast zu den schroffen Bergen drum herum. Zauberhafte Plätzchen zudem für ein erfrischendes Bad und ein ausgiebiges Picknick unterm Schattendach der Dattelpalmen.

Auch im Wadi Bani Khalid tanzen hauchzarte Libellen über glasklares Wasser, sonnen sich blaue Echsen auf heißen Steinen, betteln langhaarige Ziegen um ein paar Bröckchen Futter – auch diese natürliche Poollandschaft ist ein perfektes Idyll. Zumal hier unter der Woche so gut wie kein Betrieb herrscht. „Freitags sieht das ganz anders aus, dann kommen die omanischen Familien in Scharen zum Picknick und Baden“, erzählt der Bademeister, der sich heute mit dem Herausrupfen von Grünpflanzen die Zeit vertreibt.

Auch für die Wüstenlandschaft der Wahiba Sands bleibt der Land Cruiser obligatorisch. Rachim „schwimmt“ mit uns durch den rot - gelben Sand und hat sichtlich Spaß dabei. Düne rauf mit Vollgas und Düne wieder runter, stundenlang könne er das am Stück, überkräht er fröhlich den Motorenlärm - bei einigen Passagieren hält sich dieses Vergnügen in überschaubaren Grenzen.

Nach dem Nervenkitzel der Dünen - Achterbahn jedenfalls landen wir in einer friedfertigen und blitzsauberen Palmstroh - Hütte, die mit großen Teppichen ausgelegt und mit bunten Sitzkissen möbliert ist – eine alteingesessene Beduinenfamilie verwöhnt hier ihre Gäste mit Kaffee, Datteln und der nationalen Süßspeise Halva.

Wie bei omanischen Beduinen üblich, trägt die Herrin des Hauses eine schnabelartige Gesichtsmaske, mit der sie Batwoman nicht unähnlich sieht. Wären da nicht die mit Henna bemalten Hände und Füße und eine ausladende Leibesfülle unter dem knallblauen Gewand: Das hiesige Weiblichkeitsideal weicht diametral ab von westlichen Schönheitsmustern.

Auch die Mädels im Hof sind nicht ohne. Zwei Kameldamen nebst Baby haben sich in uns verguckt und schäkern wie verrückt in der Hoffnung auf den einen oder anderen Leckerbissen. Ein paar Äpfel und etwas Brot steigern diese Liebe ins Unendliche, der Abschied von den verfressenen Tieren und ihren ulkigen Physiognomien fällt wirklich nicht leicht.

Die Schatzkammer Oman hat aber noch wesentlich mehr Perlen im Kollier: Gigantische Oasen mit Abertausenden von Dattelpalmen und ausgeklügelten Bewässerungssystemen. Bizarre Berglandschaften mit Ruinenstädten und verlassenen Lehmdörfern. Das religiöse Zentrum Nizwa mit seinem einmaligen kreisrunden Fort sowie dem Silberschmuck - und Antiquitäten - Souk. Die Palastfestung von Jabrin mit prachtvollen Holzdecken und kalligraphischen Wanddekorationen. Die Hafenstadt Sur mit rustikalem Leuchtturm und traditionellen Dhauwerften. Und nicht zuletzt das Weihrauchland im Süden rund um die zweitgrößte Stadt Salalah. Alles in allem Programm genug für eine gut ausgefüllte Woche im Reich des einzigartigen Sultans Qaboos.

Ein Reisebericht von Ekkehart Eichler

Samstag, 15. April 2023

Moscheen, Medresen, Minarette - über die Oasenstädte Usbekistans

Chiwa, Buchara und Samarkand sind Usbekistans glänzendste Schmuckstücke.

Ein Mann sitzt vor dem Westtor von Chiwa. In langem Gewand, mit Turban, spitzem Bart und einem Dokument in der Hand sinniert er in überlebensgroßer Bronze über Gott und die Welt. So wie er es Zeit seines Lebens im 9. Jahrhundert getan hat. Mit bis heute überaus bedeutsamen Folgen für die Menschheit.

Zum einen nämlich führte der Mathematiker, Astronom und Geograph Muhamad Ibn al - Charizmi die indischen Ziffern inklusive der Null in seinen Kulturkreis ein, von wo aus die dann arabisch genannten Ziffern ihren Siegeszug durch ganz Europa und in alle modernen Zahlensysteme antraten. Zum zweiten war al - Charizmi nichts weniger ist als der geniale „Vater“ der Algebra und des Algorithmus - wie übrigens auch sein Name verrät.

Der Universalgelehrte stammte aus Choresmien. Einer großen Oase im heutigen Nordwesten Usbekistans, deren Hauptstadt Chiwa vom Handel an der Seidenstraße profitierte und heutzutage eines der schimmerndsten Schmuckstücke im usbekischen Schatzkästlein ist. Ein Freilichtmuseum par excellence, dessen erstklassig aufgehübschtes Antlitz überwiegend aus dem 19. Jahrhundert stammt.

Auf vergleichsweise engem Raum buhlen in Chiwas belebter Altstadt hinter dem wulstigen Mauerring eine Festung, mehrere Moscheen und Mausoleen, zwei Paläste, jede Menge Medresen und eine Karawanserei um die Aufmerksamkeit der Besucher, die sich gut und gern einen Tag lang verführen lassen sollten vom Zauber des Ensembles und seiner Einzelstücke.

Zum Beispiel Kalta Minor, das unvollendete bzw. kurze Minarett. Besonders auffällig wegen des dicken Turmstumpfes und seines Kachelschmucks: Weil es ursprünglich alle anderen Minarette im muslimischen Osten in den Schatten stellen sollte, überzogen es die Architekten mit einem geschlossenen Ornamentgürtel aus blauen, türkisfarbenen, grünen und weißen Fliesen. Fantastisch!

Oder die Zitadelle, in der die Chane von Chiwa offiziell residierten. Hier ließen sie Münzen prägen und gaben Seidenscheine heraus, die bei Bedarf sogar gewaschen werden konnten - „Geldwäsche“ mal in des Wortes reinster Bedeutung und folglich ohne verruchten Beigeschmack.

Viele Wände sind hier wie mit Tapeten komplett verkleidet mit chiwatypischen Majoliken - hellblaue geometrische und florale Ornamente auf dunklem Untergrund. Über deren Feinheiten wissen die Profis Bescheid. „Vergleichen Sie einmal Thronsaal und Sommermoschee“, geht etwa Stadtführer Jurabek ins Detail. „Im Saal dominieren unruhige Muster, weil der Chan, der hier auch Gericht hielt, partout nicht einschlafen durfte. In der Moschee hingegen strahlen die Ornamente Ruhe und Harmonie aus - hier konnte der Herrscher gern mal ein Nickerchen machen.“ Hübsche Geschichte!

„Wie baut man eigentlich ein Minarett?“, wurde Nasreddin Hodscha einst gefragt. „Nun, das ist ganz einfach“, erwiderte der orientalische Eulenspiegel: „Man bohrt einen Brunnen, und dann dreht man das Ganze einfach um.“ Das bronzene Abbild des Schalks mit seinem Esel dürfte das populärste Fotomotiv in Buchara sein. Obwohl die Konkurrenz geradezu übermächtig ist. An Anzahl wie an Qualität.

Für Bucharas Wahrzeichen etwa hätte man nach Nasreddins Version im 12. Jahrhundert verdammt lange und tief buddeln müssen: Das Kalon - Minarett ist der Traum von einem orientalischen Turm. 46 Meter hoch sowie über und über mit Ziegelmauermustern dekoriert, ziert es die gleichnamige Riesenmoschee im Zentrum des mittelalterlichen Buchara.

Die Perle an der Seidenstraße mit ihren blau schimmernden Kuppeln und glänzenden Fassaden ist aber auch berühmt für ihre bildschönen Medresen: Die Ulug´bek - Medrese zum Beispiel hat eine reichgeschmückte Hauptfront. Die Medrese Abdelaziz Chan vis - a - vis entzückt mit Märchenlandschaften im Portalmosaik, die an indische Miniaturen der Mogulzeit erinnern. Die Medrese Devon Begi bezaubert mit Paradiesvögeln über dem Portalbogen. Die Mini - Arab - Medrese wiederum komplettiert allerliebst das Kalon - Ensemble und kann als einzige nur von außen bestaunt werden – sie dient wie einst und übrigens auch zur Sowjetzeit noch heute als islamisch - geistliche Lehranstalt.

Ein Komplex aus drei Medresen hat sich sogar zu Usbekistans nationalem Symbol und zum UNESCO - Weltkulturerbe aufgeschwungen. Er thront auf dem Registan in Samarkand und darf mit Fug und Recht als Spitzenklasse - Hingucker bezeichnet werden. Als nobelsten öffentlichen Platz der Welt haben entzückte Schwärmer den Registan immer wieder gepriesen, und da ist wirklich was dran: Für einen vergleichbar überwältigenden Eindruck müssten sich auf einem europäischen Platz drei Kathedralen gegenüberstehen. Vollkommen frei und ohne Häuser drum herum.

Die älteste der drei ehemaligen Islam - Hochschulen wurde um 1420 von Ulug´bek errichtet, dem Enkel des berüchtigten Timur. Anders als sein grausamer Großvater beschäftigte sich der hochgebildete Mann mit den Wissenschaften, allen voran der Astronomie. Passend dazu wurde „seine“ Medrese mit Sternenmotiven übersät.

Die Sherdor - Medrese genau gegenüber entstand gut zwei Jahrhunderte später fast als Spiegelbild. Zumindest in der Form von Fassade und Minaretten. Einmalig hingegen sind die tigerartigen Löwen auf dem Portal, die im Bauch die Sonne tragen und weiße Antilopen jagen. Wie auch in Buchara streng genommen ein Widerspruch zum islamischen Bilderverbot, doch auch dafür haben die hiesigen Fachleute plausible Erklärungen in petto.

Ein echtes Goldstück vollendet das umwerfende Panorama - die als Schule und Moschee zuletzt erbaute Tillakori - Medrese. Die „Goldbedeckte“ verdankt ihren Namen der im Hof gelegenen Moschee, deren Innenraum fast komplett mit dem edlen Metall überzogen wurde. Ein glänzender Abschluss - im doppelten Sinn.

Ein Reisebericht von Ekkehart Eichler

Sanatoriums - Vacabee - Oasis - Auras