Montag, 17. April 2023

Magisches Mexiko

Präkolumbianische Kultstätten, koloniale Grandezza und umwerfende Naturkulissen – die südlichen Bundesstaaten Oaxaca und Chiapas bündeln Mexiko wie im Brennglas.

Seltsam sehen sie aus, diese Figuren auf den steinernen Reliefplatten von Monte Albán. Denn negroid wulstige Lippen, knubbelige Nasen, schwere Augenlider und manchmal sogar Bärte entsprechen so ganz und gar nicht dem gängigen Bild der vorkolonialen Bewohner Mexikos. Überdies sind die Gestalten dargestellt in eigentümlich verrenkten Posen, die gemeinhin als Tanz interpretiert werden. Es könnte sich aber auch um Opfer oder gar Tote handeln – ganz sicher sind sich die Experten nicht. Wie bei so vielem, wenn es um die uralte und noch immer rätselhafte Hochkultur der Zapoteken geht.

Völlig klar aber ist: Monte Albán ist eine der ältesten, bedeutendsten und in ihrer symmetrischen Harmonie zweifelsfrei auch schönsten Kultstätten Mesoamerikas. Reichlich tausend Jahre, bevor Hernán Cortés dem Reich der Azteken mit List, Tücke und Donnerbüchsen den Garaus machte, kappten die grandiosen Zapoteken - Baumeister zunächst die komplette Kuppe des „Weißen Berges“ und bauten auf dem nun platten Plateau über den Wolken ein prächtiges Zeremonialzentrum. Mit Pyramiden, Tempeln und Palästen für ihre Götter, Könige und Priester. Zur Blütezeit der Stadt – zwischen 500 und 800 n. Chr. – lebten 25.000 Menschen in der luftigen Höhe von Monte Albán. Und das, obwohl jeder Tropfen Wasser mühselig in Krügen den Berg hinauf geschleppt werden musste.

Ganze 12 Kilometer sind es von dieser Top - Attraktion mit der tollen Aussicht bis nach Oaxaca, die Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates. Eine urbane Perle, deren spezieller Charme in der Mischung aus indianischen Traditionen und kolonialer Pracht besteht. Ein ganzjährig frühlingshaftes Klima und eine im Vergleich zu anderen mexikanischen Städten beschauliche Gangart des Lebens steigern zusätzlich die Attraktivität der Stadt.

Ihre Besucher sollten sich deshalb durchaus ein paar Tage Zeit nehmen: für Monte Albán und Mitla, die Totenstadt der Mixteken mit ihren irren geometrischen Ornamenten. Für Bilderbuch - Kirchen wie La Soledad und Santo Domingo, die zu den bedeutendsten ganz Mexikos zählen. Für den Mixtekenschatz aus einem Grab auf dem Monte Albán mit Exponaten aus Gold, Silber und Jade. Für Benito Juárez, den großen Zapoteken - Sohn der Stadt, der Mitte des 19. Jahrhunderts als bisher einziger Indio Präsident wurde und als mexikanischer Abraham Lincoln höchste Wertschätzung genießt.

Und nicht zuletzt natürlich für die Atmosphäre. Denn selbstverständlich brodelt auch in Oaxaca das Leben mit einer für Mitteleuropäer ungewohnten Lautstärke und Energie. Vor allem abends, wenn sich alle Welt am Zócalo trifft, dem zentralen Platz jeder hiesigen Stadt. Von schmiedeeisernen Bänken unter mächtigen Lorbeerbäumen und aus Straßencafés unter den umliegenden Arkadengängen lässt sich dann das bunte Gewusel perfekt beobachten: Straßenhändler, Garköche, Schuhputzer, Artisten, Tänzer und Musikkapellen, die auf der Rundbühne ihre Schmachtfetzen in den lauen Himmel tröten, sorgen für eine unbeschwerte, heitere Stimmung bis tief in die Nacht.

Eine Tagesreise weiter gen Osten zeigt der Bundesstaat Chiapas zunächst ein landschaftlich spektakuläres Gesicht: den Sumidero - Cañon. Eine Schlucht, tief ausgefräst vom Rio Grijalva, der – von mehreren Staumauern gebändigt – nicht nur jede Menge Strom liefert, sondern auch ein touristisches Erlebnis der Extraklasse.

Mit schnittigen Wasserflitzern nämlich geht es auf Spritz - Tour durch eine Welt extrem steiler Felswände, die bis zu tausend Meter hoch aufragen und bisweilen dramatisch in den Fluss zu stürzen drohen. Alte Geschichten erzählen, dass einst manch von den Spaniern in die Enge getriebene Indianer der Versklavung oder dem grausamen Tod ein blitzschnelles Ende vorzog – durch den Sprung in die schier bodenlose Tiefe.

Doch nicht nur damit punktet der Cañon. Raubvögel ziehen hier ungestört ihre Kreise. Leguane dösen in Bäumen. Spinnenäffchen turnen durchs Geäst. Ein Krokodil tankt Sonne auf einem Felsen. Pelikane hängen auf Zweigen ab. Reiher über Starten und Landen. Sumidero ist auch ein paradiesischer Lebensraum mit neuen Überraschungen nach jeder Flussbiegung.

Über San Cristóbal de las Casas, die ebenfalls sehr sehenswerte Hauptstadt von Chiapas geht es schließlich nach Palenque – zum größten kulturellen Schatz des Bundesstaates und einem absoluten Höhepunkt jeder Mexiko - Reise. Denn was dort in heißem und feuchtem Dschungel unter Urwaldriesen einst entstand, dann in fast tausendjährigem Dornröschenschlaf komplett überwucherte, kurz vor 1800 wiederentdeckt, seit 1940 systematisch erforscht und bis heute zu gerade mal zehn Prozent wieder freigelegt wurde, strahlt eine Faszination aus, der sich kaum jemand entziehen kann.

Palenque – das ist nicht mehr und nicht weniger als das größte und beeindruckendste Zeremonialzentrum der Maya in Mexiko. Die heute erhaltene Anlage entstand ab 642 n. Chr. unter Herrschaft des Priesterkönigs Pakal, der unfassbare 68 Jahre regierte und 683 starb. Sein Grab mit Sarkophag und prächtigen Beigaben wurde 1952 im Tempel der Inschriften entdeckt, einer Stufenpyramide, die sich auf acht Plattformen bis auf imposante 21 Meter in die Höhe streckt.

Das zweite dominierende Bauwerk ist Pakals Palast – eine prachtvolle Residenz mit Innenhöfen, Säulengängen, Passagen, Tunneln, Treppen, Terrassen und überragt von einem vierstöckigen, quadratischen Turm – so etwas gibt es nirgendwo sonst in der Maya - Architektur. Aber nicht nur die Baumeister, auch die Künstler von Palenque hatten allerhand zu tun, denn die gesamte Metropole war seinerzeit über und über mit Stuck verziert und in lebhaften Farben bemalt – vor dem Hintergrund des dunkelgrünen Regenwaldes muss das ein noch aufregenderer Anblick gewesen sein als Palenques majestätische Ruinen für die Besucher von heute.

Ein Reisebericht von Ekkehart Eichler

Sonntag, 16. April 2023

Burgen, Berge, Beduinen - über das Sultanat Oman

Als landschaftlich wie kulturell faszinierendes Reiseziel hat sich das Sultanat Oman erfolgreich auf der touristischen Weltkarte etabliert.

Qaboos ist überall. Ob in quirligen Souks oder winzigen Supermärkten, ob in pompösen Hotelfoyers oder schlichten Restaurants – omnipräsent lächelt der freundliche Mann mit dem sorgfältig gestutzten silbrigen Bart und dem traditionellen omanischen Kopfschmuck seinen Landsleuten zu. Das Besondere daran: Qaboos regiert mit absoluter Macht und genießt dennoch ein unvorstellbares Maß an Beliebtheit, Verehrung und Popularität.

Was nämlich der Sultan in vierzig Jahren Regentschaft für den Oman geleistet hat, ist ohne Beispiel in der arabischen Welt. Als er 1971 seinen Vater unblutig aus Amt und Palast putschte, war das Land ein bettelarmer isolierter Feudalstaat. Heute verbinden mehrspurige Nationalstraßen entfernteste Bergregionen, verfügt selbst das kleinste Dorf über eine Schule, erhalten alle Bürger kostenlose medizinische Versorgung in bestens ausgestatteten Krankenhäusern. Und viele andere Sozialleistungen mehr.

Den Oman in ein modernes Land mit Wohlstand für alle zu verwandeln und dabei keineswegs die Traditionen aus dem Auge zu verlieren, ist ein weiteres Verdienst des Landesvaters. Beispielhaft etwa die aufwändige Restaurierung diverser Burgen, Forts und Wachtürme, von denen es im Nord - Oman geradezu wimmelt.

Nakhal zum Beispiel. Eine Stunde westlich der Hauptstadt Muscat thront inmitten einer üppigen Oase am Fuß des Hajar - Gebirges die mächtige Festung mit sechs Wehrtürmen, deren Ursprünge mehr als eintausend Jahre zurückreichen. Vollständig und vorbildlich restauriert, erstaunt die wuchtige Anlage nicht nur durch ihre Trutzhaftigkeit; sie gehört auch zu den wenigen Forts im Oman, deren Räume möbliert und mit Exponaten wie traditionellen Küchengerätschaften und Waffen ausgestattet sind.

Ein herausragendes Beispiel für die ganze Pracht moderner islamischer Baukunst repräsentiert die Sultan Qaboos Grand Moschee in Muscat. Das imposanteste und einzige Gotteshaus im Oman, das auch Nichtmuslime betreten dürfen, bietet Platz für 20.000 Gläubige und steckt voller Superlative. Fünf Minarette etwa symbolisieren die fünf Säulen des Islam. Der Kuppel - Kronleuchter ist ein 15 Meter hohes und acht Tonnen schweres Unikat aus Svarovski - Kristall. Und der 4.263 Quadratmeter riesige Teppich – ein Meisterwerk persischer Webkunst – zählt zu den größten der Welt.

Frappierend ist aber auch die Freundlichkeit des Omani im kleinen Moschee - Infocenter. Erst serviert er Datteln und Kaffee, dann folgt ein entspanntes Gespräch über Sultan, Islam, Koran und Oman generell. Und sogar gegen ein Abschiedsfoto hat er nichts einzuwenden – so eine Chance auf ein schönes Porträt bekommt man im Oman nicht immer so schnell.

Manche seiner Schätze gibt das Land aber auch nicht so leicht preis. Eben noch auf schnurgerader Autobahn unterwegs, rumpeln wir jetzt über rauen Schotter durch wilde Kulissen. Guide Rachim und sein Geländewagen zeigen, was in ihnen steckt, und zur Belohnung gibt´s eine dicke Überraschung. Im Wadi Arbayeen nämlich strahlt eine ganze Kette von Naturpools in verschiedenen Grün - und Blautönen um die Wette – ein entzückender Kontrast zu den schroffen Bergen drum herum. Zauberhafte Plätzchen zudem für ein erfrischendes Bad und ein ausgiebiges Picknick unterm Schattendach der Dattelpalmen.

Auch im Wadi Bani Khalid tanzen hauchzarte Libellen über glasklares Wasser, sonnen sich blaue Echsen auf heißen Steinen, betteln langhaarige Ziegen um ein paar Bröckchen Futter – auch diese natürliche Poollandschaft ist ein perfektes Idyll. Zumal hier unter der Woche so gut wie kein Betrieb herrscht. „Freitags sieht das ganz anders aus, dann kommen die omanischen Familien in Scharen zum Picknick und Baden“, erzählt der Bademeister, der sich heute mit dem Herausrupfen von Grünpflanzen die Zeit vertreibt.

Auch für die Wüstenlandschaft der Wahiba Sands bleibt der Land Cruiser obligatorisch. Rachim „schwimmt“ mit uns durch den rot - gelben Sand und hat sichtlich Spaß dabei. Düne rauf mit Vollgas und Düne wieder runter, stundenlang könne er das am Stück, überkräht er fröhlich den Motorenlärm - bei einigen Passagieren hält sich dieses Vergnügen in überschaubaren Grenzen.

Nach dem Nervenkitzel der Dünen - Achterbahn jedenfalls landen wir in einer friedfertigen und blitzsauberen Palmstroh - Hütte, die mit großen Teppichen ausgelegt und mit bunten Sitzkissen möbliert ist – eine alteingesessene Beduinenfamilie verwöhnt hier ihre Gäste mit Kaffee, Datteln und der nationalen Süßspeise Halva.

Wie bei omanischen Beduinen üblich, trägt die Herrin des Hauses eine schnabelartige Gesichtsmaske, mit der sie Batwoman nicht unähnlich sieht. Wären da nicht die mit Henna bemalten Hände und Füße und eine ausladende Leibesfülle unter dem knallblauen Gewand: Das hiesige Weiblichkeitsideal weicht diametral ab von westlichen Schönheitsmustern.

Auch die Mädels im Hof sind nicht ohne. Zwei Kameldamen nebst Baby haben sich in uns verguckt und schäkern wie verrückt in der Hoffnung auf den einen oder anderen Leckerbissen. Ein paar Äpfel und etwas Brot steigern diese Liebe ins Unendliche, der Abschied von den verfressenen Tieren und ihren ulkigen Physiognomien fällt wirklich nicht leicht.

Die Schatzkammer Oman hat aber noch wesentlich mehr Perlen im Kollier: Gigantische Oasen mit Abertausenden von Dattelpalmen und ausgeklügelten Bewässerungssystemen. Bizarre Berglandschaften mit Ruinenstädten und verlassenen Lehmdörfern. Das religiöse Zentrum Nizwa mit seinem einmaligen kreisrunden Fort sowie dem Silberschmuck - und Antiquitäten - Souk. Die Palastfestung von Jabrin mit prachtvollen Holzdecken und kalligraphischen Wanddekorationen. Die Hafenstadt Sur mit rustikalem Leuchtturm und traditionellen Dhauwerften. Und nicht zuletzt das Weihrauchland im Süden rund um die zweitgrößte Stadt Salalah. Alles in allem Programm genug für eine gut ausgefüllte Woche im Reich des einzigartigen Sultans Qaboos.

Ein Reisebericht von Ekkehart Eichler

Samstag, 15. April 2023

Moscheen, Medresen, Minarette - über die Oasenstädte Usbekistans

Chiwa, Buchara und Samarkand sind Usbekistans glänzendste Schmuckstücke.

Ein Mann sitzt vor dem Westtor von Chiwa. In langem Gewand, mit Turban, spitzem Bart und einem Dokument in der Hand sinniert er in überlebensgroßer Bronze über Gott und die Welt. So wie er es Zeit seines Lebens im 9. Jahrhundert getan hat. Mit bis heute überaus bedeutsamen Folgen für die Menschheit.

Zum einen nämlich führte der Mathematiker, Astronom und Geograph Muhamad Ibn al - Charizmi die indischen Ziffern inklusive der Null in seinen Kulturkreis ein, von wo aus die dann arabisch genannten Ziffern ihren Siegeszug durch ganz Europa und in alle modernen Zahlensysteme antraten. Zum zweiten war al - Charizmi nichts weniger ist als der geniale „Vater“ der Algebra und des Algorithmus - wie übrigens auch sein Name verrät.

Der Universalgelehrte stammte aus Choresmien. Einer großen Oase im heutigen Nordwesten Usbekistans, deren Hauptstadt Chiwa vom Handel an der Seidenstraße profitierte und heutzutage eines der schimmerndsten Schmuckstücke im usbekischen Schatzkästlein ist. Ein Freilichtmuseum par excellence, dessen erstklassig aufgehübschtes Antlitz überwiegend aus dem 19. Jahrhundert stammt.

Auf vergleichsweise engem Raum buhlen in Chiwas belebter Altstadt hinter dem wulstigen Mauerring eine Festung, mehrere Moscheen und Mausoleen, zwei Paläste, jede Menge Medresen und eine Karawanserei um die Aufmerksamkeit der Besucher, die sich gut und gern einen Tag lang verführen lassen sollten vom Zauber des Ensembles und seiner Einzelstücke.

Zum Beispiel Kalta Minor, das unvollendete bzw. kurze Minarett. Besonders auffällig wegen des dicken Turmstumpfes und seines Kachelschmucks: Weil es ursprünglich alle anderen Minarette im muslimischen Osten in den Schatten stellen sollte, überzogen es die Architekten mit einem geschlossenen Ornamentgürtel aus blauen, türkisfarbenen, grünen und weißen Fliesen. Fantastisch!

Oder die Zitadelle, in der die Chane von Chiwa offiziell residierten. Hier ließen sie Münzen prägen und gaben Seidenscheine heraus, die bei Bedarf sogar gewaschen werden konnten - „Geldwäsche“ mal in des Wortes reinster Bedeutung und folglich ohne verruchten Beigeschmack.

Viele Wände sind hier wie mit Tapeten komplett verkleidet mit chiwatypischen Majoliken - hellblaue geometrische und florale Ornamente auf dunklem Untergrund. Über deren Feinheiten wissen die Profis Bescheid. „Vergleichen Sie einmal Thronsaal und Sommermoschee“, geht etwa Stadtführer Jurabek ins Detail. „Im Saal dominieren unruhige Muster, weil der Chan, der hier auch Gericht hielt, partout nicht einschlafen durfte. In der Moschee hingegen strahlen die Ornamente Ruhe und Harmonie aus - hier konnte der Herrscher gern mal ein Nickerchen machen.“ Hübsche Geschichte!

„Wie baut man eigentlich ein Minarett?“, wurde Nasreddin Hodscha einst gefragt. „Nun, das ist ganz einfach“, erwiderte der orientalische Eulenspiegel: „Man bohrt einen Brunnen, und dann dreht man das Ganze einfach um.“ Das bronzene Abbild des Schalks mit seinem Esel dürfte das populärste Fotomotiv in Buchara sein. Obwohl die Konkurrenz geradezu übermächtig ist. An Anzahl wie an Qualität.

Für Bucharas Wahrzeichen etwa hätte man nach Nasreddins Version im 12. Jahrhundert verdammt lange und tief buddeln müssen: Das Kalon - Minarett ist der Traum von einem orientalischen Turm. 46 Meter hoch sowie über und über mit Ziegelmauermustern dekoriert, ziert es die gleichnamige Riesenmoschee im Zentrum des mittelalterlichen Buchara.

Die Perle an der Seidenstraße mit ihren blau schimmernden Kuppeln und glänzenden Fassaden ist aber auch berühmt für ihre bildschönen Medresen: Die Ulug´bek - Medrese zum Beispiel hat eine reichgeschmückte Hauptfront. Die Medrese Abdelaziz Chan vis - a - vis entzückt mit Märchenlandschaften im Portalmosaik, die an indische Miniaturen der Mogulzeit erinnern. Die Medrese Devon Begi bezaubert mit Paradiesvögeln über dem Portalbogen. Die Mini - Arab - Medrese wiederum komplettiert allerliebst das Kalon - Ensemble und kann als einzige nur von außen bestaunt werden – sie dient wie einst und übrigens auch zur Sowjetzeit noch heute als islamisch - geistliche Lehranstalt.

Ein Komplex aus drei Medresen hat sich sogar zu Usbekistans nationalem Symbol und zum UNESCO - Weltkulturerbe aufgeschwungen. Er thront auf dem Registan in Samarkand und darf mit Fug und Recht als Spitzenklasse - Hingucker bezeichnet werden. Als nobelsten öffentlichen Platz der Welt haben entzückte Schwärmer den Registan immer wieder gepriesen, und da ist wirklich was dran: Für einen vergleichbar überwältigenden Eindruck müssten sich auf einem europäischen Platz drei Kathedralen gegenüberstehen. Vollkommen frei und ohne Häuser drum herum.

Die älteste der drei ehemaligen Islam - Hochschulen wurde um 1420 von Ulug´bek errichtet, dem Enkel des berüchtigten Timur. Anders als sein grausamer Großvater beschäftigte sich der hochgebildete Mann mit den Wissenschaften, allen voran der Astronomie. Passend dazu wurde „seine“ Medrese mit Sternenmotiven übersät.

Die Sherdor - Medrese genau gegenüber entstand gut zwei Jahrhunderte später fast als Spiegelbild. Zumindest in der Form von Fassade und Minaretten. Einmalig hingegen sind die tigerartigen Löwen auf dem Portal, die im Bauch die Sonne tragen und weiße Antilopen jagen. Wie auch in Buchara streng genommen ein Widerspruch zum islamischen Bilderverbot, doch auch dafür haben die hiesigen Fachleute plausible Erklärungen in petto.

Ein echtes Goldstück vollendet das umwerfende Panorama - die als Schule und Moschee zuletzt erbaute Tillakori - Medrese. Die „Goldbedeckte“ verdankt ihren Namen der im Hof gelegenen Moschee, deren Innenraum fast komplett mit dem edlen Metall überzogen wurde. Ein glänzender Abschluss - im doppelten Sinn.

Ein Reisebericht von Ekkehart Eichler

Freitag, 14. April 2023

Namaste Nepal - über Wandern in Nepal

Vor dem Landeanflug taucht die Kette der schnee - und eisbedeckten Gipfel des Himalaya auf. Kathmandu – wir kommen!

Sobald wir den Flughafen verlassen und von unserem freundlichen Guide im Empfang genommen werden, finden wir uns in einem Wirrwarr aus fremden Eindrücken, Gerüchen und Hupkonzerten wieder. Der chaotisch wuselnde Verkehr auf den größeren Straßen scheint undurchdringlich. Zwischen hupenden Autos quetschen sich Moped - und Fahrradfahrer. Mädchen in dunkelblauer Schuluniform, die Haare artig mit roten Schleifen zu Schaukeln geflochten, überqueren todesmutig die Straße. Am Straßenrand laden junge Männer von Lastwagen ab, was aus anderen Landesteilen und aus Indien herangebracht wurde: Kartoffeln und Stoffballen, Reis und Stereoanlagen. Das winzige Himalaya - Königreich liegt wie ein dünnes Laken zwischen den dicken Brüdern Indien und China.

Angekommen im luxuriösen Hotel stürzen sich die ersten gleich in den Swimmingpool. Andere schlürfen Tee im Garten, wo ein grüner Papagei von Mangobaum zu Limettenbusch springt.

Erstes Ziel am nächsten Tag ist Kathmandus Altstadt. Die Straßen sind voller Menschen, die Märkte und Geschäfte sind in Betrieb. Betritt man einen Laden, legt der Besitzer die Hände vor die Brust und sagt: „Namaste!“ (Ich grüße den Gott in dir!) Man erwidert die Begrüßung mit einer spiegelgleichen Verbeugung.

Durch enge Gassen erreichen wir den Durbar Square, das historische Herz von Kathmandu, auf dem auch der Palast der Könige steht. Mehr als 50 Pagoden und Tempel säumen den Platz. Der Eintritt auf den autofreien Platz, der Mitte der 1970er Jahre von der UNESCO restauriert wurde, kostet 200 Rupien.

Eine Statue des Affengottes, der von den alten Kriegern verehrt wurde, bewacht den Eingang des Palastes. Zum Gebetsritual gehört es, die Statue mehrfach gegen den Uhrzeigersinn zu umrunden. Das Goldene Tor gegenüber ist der Eingang zum alten Palast und wird von zwei weißen Löwen aus Stein flankiert. Auf den Löwen reiten die Götter Shiva und Parvati. In der Mitte des Tores, das aus Messing gefertigt ist, werden Szenen aus dem hinduistischen Epos Mahabharata dargestellt. Unmittelbar hinter dem Tor steht die Narasinha - Statue. Sie stellt den Gott Vishnu in Gestalt eines Löwenmenschen im Kampf gegen einen Dämonen dar. Die Wohngebäude der Malla - Könige befinden sich nördlich des Tanz - Hofes. Wir als Ausländer haben in diesen Teil des Palastes allerdings keinen Zutritt. Ebenfalls verschlossen ist der Mul Chowk. Einst wurden dort Tieropfer dargebracht, heute dient er für religiöse Feierlichkeiten und Staatsakte. Der 35 Meter hohe Taleju - Tempel überragt die anderen Gebäude des Komplexes. Die Malla - Könige huldigten hier der Göttin Kali, die wegen ihrer Blutrünstigkeit gefürchtet wird.

Die Macht der Vergangenheit umhüllt mich. Ich setze mich vor eine Statue und beginne einen stummen Dialog mit ihr, starre in die Augen gemalter Dämonen, fahre mit den Fingern über glattgeschliffene Holztüren und will gar nicht mehr weiter.

Aber am westlichen Tor, das in den Hof des Machhendranath Tempels führt, lockt der Markt mit seinem bunten Treiben. Auf dem Töpfermarkt stapeln sich mannshoch Gefäße, Schüsseln, Figuren und symbolträchtige Tiere. Vor uns schwebt ein Doppelbett, gefolgt von einem mächtigen Kleiderschrank und einer kompletten Sofagarnitur mit zwei wuchtigen Sesseln. Dünne, sehnenharte Männerbeine lugen unter Sofa und Bett hervor.

Am nächsten Tag geht es in die ehemalige Königsstadt Patan mit dem herausragenden Königspalast aus dem 17. Jahrhundert. Der Goldene Tempel mit seinem vergoldeten Eingang gilt als schönster und bedeutendster Tempel Patans. 365 Stufen führen hinauf zum Heiligtum Swayambunath. Von hier aus genießen wir einen faszinierenden Rundblick über das Kathmandu - Tal - und die Berge.

Die Götter leben auf den Bergen, glauben die Nepalesen. Acht der 14 Achttausender der Welt stehen in Nepal. Und drei davon nun vor uns: der majestätische Annapurna, 'die Nahrung spendende Göttin', der schneebedeckte Manaslu, 'Sitz der Seele Gottes', und der einsame Dhaulagiri, der 'weiße Berg'.

Die Stupa Svayambhunath ist eines der ältesten buddhistischen Heiligtümer im Kathmandu - Tal. Die Augen Buddhas, die auf allen vier Seiten der Statue am Stupaturm gemalt sind, schauen in alle vier Himmelsrichtungen über Kathmandu hinweg. Girlanden mit unzähligen bunten tibetischen Gebetsfähnchen flattern ringsum in der leichten Brise. Über diesem imposanten Bauwerk wölbt sich ein blauer Himmel, an dem gewaltige weiße Wolkenberge aufzusteigen beginnen. Welch ein faszinierender Anblick und welch eine mystische Stimmung. Die Luft ist erfüllt vom dumpfen, immer wiederkehrenden Mantra Dutzender betender Buddhisten „Om mani padme hum" ("Oh Du Juwel in der Lotosblüte"). Im Uhrzeigersinn umkreisen sie das Bauwerk. Leise knattern die Gebetsmühlen. Ich atme Räucherstäbchenduft, lausche den Gongschlägen und sehe den Schatten der Wolken hinterher, die an den Flanken der Stupa entlanggleiten.

Der nächste Ausflug führt in die rund 30 km entfernte ehemalige Königsstadt Bhaktapur. Tempel und Pagoden mit prächtigen Holzschnitzereien präsentieren sich mitten im Alltagsleben. Ziegen, Hühner und Truthähne, Früchte und Gemüse sowie Frauen beim Reisstrohdreschen bilden eine bunte Kulisse.

In Bodnath befindet sich das tibetische Zentrum der Hauptstadt mit seiner zentralen Stupa. Sie ist neben Swayambhunath das wichtigste Heiligtum des Buddhismus in Nepal. Ein Durchmesser von 40 Metern und eine Höhe von 36 Metern machen den Stupa außerdem zu einem der größten Heiligtümer des Buddhismus weltweit. 1959 entstand nach der Flucht des Dalai Lama aus Tibet hier ein neues Glaubenszentrum für den tibetischen Buddhismus.

An den unteren Stufen werden mannshohe Gebetsmühlen von den Gläubigen gedreht. Sie sind dabei in tiefer Andacht versunken, eine wirklich sehr spirituelle Szenerie.

Als letzter Programmpunkt erwartet uns das hinduistische Heiligtum Pashupatinath mit seinen Verbrennungsstätten am Bagmati - Fluss. Auf dem Weg halbnackte Sahus, die um ein paar Münzen betteln. In den Bäumen hinter uns schnattern Affen. Süßlicher Rauch erfüllt die Luft am südlichen Teil, dem Ram Ghats, der von allen Kasten für die Verbrennungs - Zeremonien genutzt wird.

Wer am Bagmati - Fluss verbrannt und dessen Asche dann in den Fluss gestreut wird, darf auf eine gute Wiedergeburt hoffen. Das Feuer bewirkt eine große Reinigung und erlaubt der Seele, den Körper zu verlassen.

Am Ufer wird Wäsche gewaschen, während die Flammen eines Scheiterhaufens über einer Leiche knistern. Männer suchen mit Rechen im dunklen Schlamm nach Schmuck, der mitsamt der Asche eines Toten im Fluss gelandet sein mag.

Nach einem beeindruckenden Tag, steht am nächsten Morgen eine kurzweilige, rund sechsstündige Fahrt in den Chitwan - Nationalpark an. Wer erwartet, in Nepal nur hohe Berge und alte buddhistische Tempel vorzufinden, ist überrascht von diesem über 900 qkm großen Dschungel im Süden des Landes, an der Grenze zu Indien.

Der Park bietet Aktivitäten für alle Altersgruppen an, vom Kleinkind bis zum Greis. Chitwan gilt als letztes Refugium für das Rhinozeros im subtropischen Dschungel des Terai.

Bei unserer Ankunft in der Lodge steht die späte Nachmittagssonne wie ein roter Feuerball am Horizont und taucht die grasbewachsene Ebene in ein goldenes Licht. Am nächsten Tag reiten wir auf einem Elefanten. Leider bekommen wir auf unserer Dschungelpirsch mit erfahrenen Parkführern keines dieser Nashörner zu sehen.

Doch dafür entschädigt das Beobachten der Vögel. Es wimmelt nur so von ihnen: Brahmanenenten, Silberreiher, Eisvögel, Schwarzstörche, Weißstörche, Sittiche, verschiedene rote Dschungelhühner, Raubvögel, Spechte, Pfauen und Bienenfresser.

Am nächsten Tag ein kleiner Ausflug mit unserem Guide. Kaum haben wir die Wege der Lodge verlassen, hebt der Guide das Blatt eines Salbaums vom Boden auf. „Die Leute hier benutzen solche Blätter als Teller bei Feiern oder als Unterlage für Opfergaben an die Götter“, erklärt er. Er zeigt uns einen Baum, aus dem sich am besten ein Kanu herausmeißeln lässt, pflückt Blätter, die in Currygericht würzen, und andere, aus denen sich ein Antiseptikum brauen lässt.

Nach dem Besuch einer Elefanten - Farm beschließt eine eindrucksvolle Tanzdarbietung der Tharus diesen spannenden Tag.

Weiter geht es nach Bandipur. Schon die Busfahrt ist ein großes Erlebnis. Herrliche Landschaften und der Einblick in das Leben nepalesischer Dörfer begleiten uns auf dieser Fahrt. In sanften Schwüngen fahren wir dahin, vor uns erstrecken sich gelbe Rapsfelder bis zum Horizont. Das mittelalterlich anmutende Dorf Bandipur zeugt mit seinen zahlreichen Tempeln und traditionellen Gebäuden von der Handwerkskunst der Newar - Kultur. In dem Dorf, in dem keine Autos fahren, genießen wir die authentische Übernachtung in einem rustikalen, liebevoll gestalteten Heritage - Hotel. Die typischen Newari - Häuser des gleichnamigen Volksstammes haben prächtig geschnitzte Fenster und mehrflügelige Holztüren - die unterste Etage steht tagsüber praktisch völlig offen!

Die traumhafte Berglage von Bandipur ermöglicht bei guter Sicht unvergessliche Ausblicke auf die schneebedeckten Himalaya - Riesen. Und einen herrlichen Blick auf die mächtigen Himalayagipfel genießen wir auch bei einer Wanderung gemeinsam mit einem Guide ins nahe gelegene Dorf Ramkot. Überall wächst und wuchert es, die Windungen eines Flusses im Tal sind silberfarbene Pinselstriche. Zwischen verstreuten Lehmhütten dehnen sich die Reisterrassen in gleichmäßigen, konzentrischen Wellen und brechen sich an den mannshohen Bambusbüschen. In Ramkot scheint die Zeit still zu stehen. Auf dem Dorfplatz mahlen Frauen Reis auf zwei zentnerschweren Lehmsteinen, andere flegeln Weizen in der Mittagssonne, wieder andere backen Schmalzringe auf dem offenen Feuer.

Die Menschen strahlen Gelassenheit und gute Laune aus. Ihre Gesichter spiegeln die Mühsal und die Würde eines bäuerlichen Lebens. Ihr Lachen vertieft die Furchen, die Feldarbeit und Himalayasonne um ihre Augen gezeichnet haben. Die Schönheit der Frauen ist umgekehrt proportional zum Estee - Lauder - Prinzip: Sie werden mit jeder Falte schöner.

Das Lokalgericht der Gegend wird auf den Bastmatten am Boden auftischt: Reis, bittere Linsen, dazu silberne Töpfchen mit selbstgemachtem Marihuana - Chutney (es hat keine Rauschwirkung und dient hier einfach als Nahrungsmittel). Wir graben unsere Finger in den Linsenbrei und versuchen, wenigstens die Hälfte davon in den Mund zu bringen. Einhändig, mit der rechten Hand natürlich, die 'unreine' Linke muss brav auf der Matte bleiben, denn sie ersetzt nach der Mahlzeit das Toilettenpapier.

Am letzten Tag in Bandipur verabschiedet sich das Hotelpersonal ganz herzlich. Wir bekommen einen Tika auf die Stirn und einen hellen Schal umgelegt.

Am 9. Tag unserer Reise geht es von Bandipur nach Pokhara, das in einem atemberaubenden schönen und fruchtbaren Tal liegt. Der Name Pokhara ist sehr alt und wurde abgeleitet von dem Wort Pokhari, was so viel bedeutet wie Teich oder See. Nach einer Bootstour auf dem Fewa Lake erkunden wir die vielen idyllischen Ecken, die es Pokhara zu entdecken gibt. Der Ort in 827 Meter Höhe war früher ein wichtiger Handelsort zwischen Indien und Tibet. Der Handel der Tibeter kam jedoch nach der Entmachtung Tibets durch die Chinesen zum Erliegen.

Geblieben sind die großartige Ausblicke auf das Himalaya - Massiv - am besten frühmorgens. Die Schönheit der unberührten Natur und die zum Greifen nahen Berge machen Pokhara unvergesslich.

Mit dem Bus geht es zurück nach Kathmandu, wo am nächsten Tag eine neun Kilometer lange Wanderung nach Nagarkot auf dem Programm steht. Es präsentiert sich ein fantastischer Blick auf die Gebirgskette des Langtang - Himals mit den Gipfeln des Langtang Lirung I (7226 m) und des Gan Chenpo (6387 m).

Der Ort Nagarkot erstreckt sich über den Bergrücken. Am höchsten Punkt des Ortes findet man einen kleinen Stupa. Von dort steigen wir über wenige Stufen zu einer Aussichtsplattform hoch, von wo aus man den besten Blick hat.

Am Abend lockt ein nepalesisches Essen mit folkloristischen Darbietungen im Bhojan Griha, einem geschmackvoll restaurierten Ranapalast. Es gibt ein mehrgängiges Menü unter anderem mit dhal bat (Reis mit Linsen) und alu tareko (Kartoffelcurry).

Ein köstlicher Abschluss einer unvergesslichen Reise.

Ein Reisebericht von Joseph Scheppach