3:00 Uhr ist die Nacht am Kilimanjaro zu Ende! Jemand klopft an unser steifgefrorenes Zelt! Zeit aufzustehen. Willkommen im Urlaub! Im Mannschaftszelt bekommen wir heißen Tee, Kekse und das allseits beliebte Porridge zum Frühstück. Viel Porridge bekomme ich jedoch nicht herunter. Ich begnüge mich mit Keksen und Tee. Am Inneren der Zeltplane hat sich eine Eisschicht gebildet. Die Aufregung und Anspannung ist bei jedem Einzelnen spürbar angewachsen. Viel gesprochen wird nicht.
Gegen 4:00 Uhr gibt Jimmy das Startsignal. Nun liegen nur noch 4 Kilometer Weg, etwas mehr als 1.000 Höhenmeter und die Western Breach zwischen uns und dem Gipfel des Kilimanjaro. Eine Kleinigkeit! Wir haben uns vorgenommen, diese Kleinigkeit in 7 Stunden hinter uns zu bringen. Mal sehen was der Berg dazu meint!
Im Schein unsere Stirnlampen geht es bei milden minus 4 Grad Celsius die ersten Höhenmeter in Serpentinen über ein Geröllfeld hinauf. „Pole, pole“ ist auch heute die Devise. „Langsam, langsam“ laufen wir unseren Guides hinterher. Immer wieder queren wir teilweise stark vereiste Schneefelder oder müssen in diesen aufsteigen. Gerade noch so können wir den weiteren Weg ohne Steigeisen wagen. Jeder von uns kämpft mit der Höhe. Jeder Schritt eine Qual, jeder Meter eine neue Herausforderung.
Sonnenlicht am Kilimanjaro
Kurz nach 6:00 Uhr geht die Sonne auf. Die ersten Strahlen treffen auf unsere Gesichter. Das erste Tageslicht gibt den Blick auf den weiteren Weg frei. Oh Mann! Vor uns geht es noch immer steil bergauf. Die anstrengendsten Passagen liegen noch vor uns. Regelmäßig machen wir kurze Pausen. Schnell einen Schluck heißen Tee trinken, einen Stück Powerriegel zu sich nehmen und schon geht’s weiter. Nur nicht in der Kälte zu lange stehen bleiben.
Langsam aber sicher gewinnen wir an Höhe, sind aber noch längst nicht am Ziel. Wir kommen in die steilsten Abschnitte der Gipfeletappe. Über große Felsstufen steigen wir weiter auf. Ohne guten Guide kann man sich schnell auch mal versteigen und steckt in einer Sackgasse. Jimmy und seine Jungs aber haben alles fest im Griff.
Mitten drin im Abenteuer Kilimanjaro
Nach Sonnenaufgang wird die Gefahr des Steinschlages immer großer, da die in der Nacht gefrorenen Steine sich langsam wieder lösen und locker werden. 2006 wurde die Western Breach nach einem Steinschlag mit mehreren Toten und Verletzten lange Zeit gesperrt und ist nun auch nur mit einer Sondergenehmigung zu begehen.
Irgendwann erreichen wir die letzte Steilwand in der Western Breach. Überall sehen wir gefrorene Wasserfälle. Mit letzter Kraft kämpfen wir uns die Stufen hoch und plötzlich stehen wir auf dem Plateau.
Das Ziel unserer Träume haben wir aber noch lange nicht erreicht. Der Gipfel liegt noch einmal 160 Meter über uns. Wir laufen über das Plateau bis zum Krater Camp. Dort führt eine steile, schneebedeckte Felsflanke hinauf zum Gipfel. Wir möchten das gute Wetter ausnutzen und beschließen deshalb ohne große Pause direkt weiter aufzusteigen. Diese letzten Höhenmeter haben es noch einmal in sich.
100 % Gipfelerfolg
Dann ist es soweit. 10:45 Uhr stehen die Ersten am Gipfel. Nach und nach treffen alle ein. Erschöpft aber glücklich liegen wir uns in den Armen. Wir können es noch gar nicht richtig glauben. 100 Prozent Gipfelerfolg am Kilimanjaro. Auch unsere Guides sind überglücklich. Der Weg durch die Western Breach ist auch für sie etwas ganz Besonderes und trotz ihrer zum Teil über 100 Gipfelerfolge nicht alltäglich. Zu unseren Füßen liegen der berühmte „Schnee am Kilimanjaro“ und seine Gletscher. Nach einem ausgiebigen Gipfelaufenthalt steigen wir über den Stella Point wieder hinunter zum Kratercamp. Gegen 13:00 Uhr kommen wir im Camp an. Von unseren Trägern und den Zelten ist jedoch noch nichts zu sehen. Völlig fertig lassen wir uns auf Felsen oder im Lavasand nieder. Einige schlafen auf der Stelle ein.
Der Abstieg vom Kilimanjaro
Unsere Träger haben heute den mit Sicherheit schwierigsten und gefährlichsten Tag der Tour und sind noch immer in der Western Breach unterwegs. Ein paar Stunden später kommen die ersten 2 Träger. Plötzlich macht das Gerücht die Runde, ein Träger sei in der Western Breach abgestürzt. Unsere Guides steigen deshalb wieder in die Route ein um nachzusehen was passiert ist und den Trägern zu helfen. Wir warten im Camp und hoffen das Beste. Zwischenzeitlich hat es zu schneien angefangen. Viele von uns haben sich in die 2 vorhandenen Zelte zurückgezogen. Bis die restlichen Zelte da sind, warten Michael und ich in dem Küchenzelt einer weiteren Gruppe im Camp. Dort sind wir vor Wind und Kälte geschützt und bekommen zum Aufwärmen einen heißen Tee.
Am späten Nachmittag sind schließlich alle Träger und somit die restlichen Zelte da. Die Guides berichten uns, das der verletzte Träger vom Berg heruntergebracht werden muss und deshalb alles ein bisschen länger gedauert hat. Soweit soll es ihm aber den Umständen entsprechend gut gehen. Zum Sonnenuntergang gehen wir nochmal an den Rand des Plateaus. Der Blick auf unsere Aufstiegsroute hinunter raubt uns zusätzlich in der dünnen Höhenluft den Atem. Wir genießen die letzten Sonnenstrahlen und das Farbenspiel der untergehenden Sonne am Berg und auf den Gletschern. Sobald die Sonne weg ist wird es ungemütlich. Die Temperaturen sinken weit unter den Gefrierpunkt. In dieser Nacht haben wir im Zelt minus 4 Grad Celsius. Der lange Aufenthalt auf 5.700 Metern sorgt bei vielen von uns für Schlaflosigkeit und Übelkeit. Wiederum andere schlafen vor Erschöpfung 14 Stunden am Stück durch.
Aufstieg zum Reusch Krater
Mit dem Sonnenaufgang am nächsten Morgen kommt langsam wieder Leben ins Camp. Noch vor dem Frühstück wollen wir zum Reusch Krater. Allein die wenigen Meter Anstieg sind in dieser Höhe unglaublich anstrengend. Jede schnelle Bewegung führt zu Schnappatmung. Die Sonne scheint, trotzdem pfeift uns ein eiskalter Wind um die Ohren. Der Krater ist riesig. Am Rand steigen kleine Schwefelfahnen auf. Alle sind glücklich hier stehen zu können. Die Anstrengungen der letzten Tage sind in diesem Augenblick vergessen. Gegenüber am Gipfel können wie die Massen zum Uhuru Peak laufen sehen. Immer wieder trägt der Wind die Jubelrufe zu uns herüber.
Zurück im Camp packen wir unsere Sachen. Der lange Abstieg vom Kilimanjaro steht bevor. Von nun an geht’s mit unserer Gruppe bergab!
Vielen Dank unseren Guides Jimmy, Regan, Captain, Abdula und Dustin. Vielen Dank an unsere Küchencrew. Unter einfachsten Bedingungen habt ihr uns jeden Tag mit köstlichem Essen überrascht. Unser besonderer Dank gilt all den Trägern, die unsere gesamte Ausrüstung auf den Berg gebracht haben. Ohne Euch wären wir alle nicht auf den Kilimanjaro gekommen. Vielen Dank auch an Oliver für die Organisation der wunderschönen Tour.
Ein Reisebericht von Christian Reinicke