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Montag, 18. September 2023

Äthiopien - Die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Kaffee

Ich denke viel an ihre Hände. Die Hände von Landwirten, die ich im Ursprungsland von Kaffee getroffen habe. Hände, braun wie meine, aber noch brauner, ziehen Setzlinge aus fruchtbarem Boden, pflücken hellrote Beeren (als „Kirschen“ bezeichnet) von dünnen Ästen und wandeln die Erträge in die kostbare Flüssigkeit um, die mich und Millionen andere am Morgen antreibt.

Ich kam mitten in der Nacht in Äthiopien an. Die Luft war dünn und kühl; die Stadt diesig und ruhig, und nichts deutete darauf hin, dass es sich um den Ursprungsort des Zeugs handelt, das die Welt mit Koffein versorgt. Kaffee ist unsere Kollektivdroge Nr. 1: Wir trinken weltweit mehr als 2,25 Milliarden Tassen Kaffee, wobei die Kanadier zu den Top - Konsumenten der Welt gehören. Trotz dieser Vorliebe für das Getränk denken die meisten an Starbucks, wenn es um den Ursprung von Kaffee geht, und nicht an ein fernes Land am Horn von Afrika.

Äthiopien steht jedoch für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Kaffee. Es ist nicht nur das Land, in dem die Pflanze Coffea arabica zuerst blühte, sondern auch der Ort, der auf der Welt Methoden zur Zubereitung von Kaffee und eine Gemeinschaftskultur rund um das Getränk verankerte. Und von allen Kaffeeanbauregionen hat Äthiopien die größte Vielfalt an Kaffeepflanzen zu bieten – was nötig ist, um die Nutzpflanze auch für die Zukunft zu erhalten.

Das Land ist viele Dinge gleichzeitig. Äthiopien beheimatet die antiken Gebeine von modernen Menschen und eines der ältesten Alphabete, das noch immer benutzt wird. Das Binnenland hat seine eigene Zeit, die bei Sonnenaufgang beginnt, und einen Kalender mit 13 Monaten. Und es wurde noch nie kolonisiert. Wie ich in meinem Buch schreibe: „Die einzigen Überbleibsel der fehlgeschlagenen Besetzungen [durch die Italiener] scheinen fantastisches italienisches Essen und die häufige Verwendung des Wortes „Ciao“ zu sein. Äthiopien gehört niemandem außer sich selbst.“

Die Geschichte der Verbundenheit des Landes mit Kaffee begann vor mindestens 1.500 Jahren in Kaffa, einer Provinz im südwestlichen Hochland. Man sagt, dass das der Ort ist, an dem ein Ziegenhirte namens Kaldi bemerkte, dass seine Herde immer lebhafter wurde, nachdem sie die Beeren eines kleinen, belaubten Baumes gefressen hatte. Kaldi probierte die Früchte und erlebte anschließend den gleichen Rausch, wodurch unsere Verbindung mit einer Nutzpflanze begann, die an zweiter Stelle hinter Erdöl zum meist gehandelten Rohstoff der Welt geworden ist.

Äthiopien ist das fünftgrößte Kaffeeerzeugerland der Welt und nach Angaben der Internationalen Kaffeeorganisation der zweitgrößte Kaffeeexporteur des Kontinents (hinter Uganda). Die Nutzpflanze kurbelt die Wirtschaft an, indem sie eine Devisenquelle und, was noch wichtiger ist, Arbeit für mehr als 15 Millionen Menschen schafft. „Kaffee ist alles“, erklärte mir Frehiwot Getahun, der Manager der Kafa Forest Coffee Farmers Cooperative Union. „Er ist Identität. Er ist Beschäftigung – nicht nur für die Landwirte, sondern auch für die Manager, Lohnarbeiter, Verwalter, LKW - Fahrer, Verkoster, Händler.“

Ich traf Getahun während eines Trips, um die Menschen – und die Arbeit und die vielen Hände – hinter Kaffee kennenzulernen. Das Zeug ist nicht nur mit der Wirtschaft sondern auch mit der Kultur verwoben. „Es ist wie Essen“, sagte er. „Man trinkt ihn am Morgen, am Mittag, am Abend. Die Menschen leben von – und durch – Kaffee.“

Diejenigen, die die Nutzpflanze ernten und anbauen, leben jedoch von sehr geringen Gewinnspannen. Gemäß der Fairtrade Foundation werden 80 % des Kaffees von Kleinbauern angebaut, die laut Agrarökonom Mick Wheeler üblicherweise nur 10 % des Endpreises erhalten. Die Landwirte, die ich bei der Yirgacheffe Farmers Cooperative Union traf, erzählten mir, dass sie mit köstlichem Kaffee „gesegnet“ sind (eine Untertreibung), aber dass es ihnen an Dingen fehlt, die oft als selbstverständlich angesehen werden: Zugang zu guten Straßen und moderner Technologie. Eine der Maschinen, die der 52 - jährige Landwirt Alemu Seda mir zeigte, stammte aus den 1980er Jahren und war in schlechtem Zustand.

Kaffee aus dieser Region wird auf der ganzen Welt getrunken. Die Menschen, die das möglich machen, sollten auch anerkannt – und besser für die äußerst befriedigenden Früchte ihrer Arbeit entlohnt werden. Für das, was ihre Hände Tag für Tag hervorbringen.

Äthiopiens Verbundenheit mit Kaffee offenbart sich nicht nur durch die Nutzpflanze, sondern auch in der Tasse – durch ein Ritual, das als Kaffeezeremonie bekannt ist. Die Prozedur, die in der Öffentlichkeit formal und zu Hause zwanglos begangen wird, dient der Gemeinschaft und Verbindung. Das, gemeinsam mit der Ausweitung des Anbaus und Konsums von Kaffee in den Jemen unter dem Osmanischen Reich, führte zu der Café - Kultur, die sich in Europa festsetzte und sich später nach Nordamerika ausdehnte. Es ist die wahre Vorstufe zu dem, wie wir heute Kaffee genießen.

Während der Kaffeezeremonie hängt der Duft von Weihrauch in der Luft, während sich Freunde und Nachbarn vor einer einfachen, aber stilvollen Konstruktion versammeln: einer gusseisernen Pfanne über Feuer mit einem Metallhaken, um den Kaffee beim Rösten langsam zu wenden – ein Prozess, bei dem sich die Farbe von türkisgrünen Bohnen in einen braunen Erd - und Hautton verwandelt.

Nachdem die Bohnen abgekühlt sind, kommen ein „Mukecha“ und „Zenezena“ (Mörser und Stößel) zum Einsatz, um sie zu Pulver zu mahlen. Das gemahlene Pulver wird mit Wasser vermischt und in einer Jebena, einer Kaffeekanne aus Ton, aufgebrüht, aus der drei Mal Kaffee ausgegossen wird. Die erste Portion ist dick und stark; die zweite, verdünnt, etwas weniger so; und die dritte und letzte Portion noch köstlicher, da sie nochmal verdünnt ist.

Die Zeremonie wird bewusst und langsam begangen und wird mich für immer daran erinnern, dass ich mich in der Ethiopian Standard Time – und in Gesellschaft – befinde. Diese Kaffeepausen begeht man nicht allein; sie sollen Gespräche anregen und Geselligkeit fördern. Diese Tradition begann bereits vor Tausenden von Jahren – lange vor dem Aufkommen von europäischen Kaffeehäusern – infolge der äthiopischen Invasion in Südarabien im Jahr 525 nach Christus.

Die Bohnen auf äthiopischen Märkten und an Straßenständen werden als „Bunna“-Kaffee bezeichnet. Auf ihrer Verpackung ist kein Ursprung aufgeführt, sie kommen aber von innerhalb des Landes und werden von Pflanzen geerntet, die typischerweise auf kleinen Gartenbeeten wachsen, wahrscheinlich von Samen, die aufgehoben wurden, oder von Setzlingen von lokalen Initiativen zur landwirtschaftlichen Beratung. Und der Kaffee, der von diesen Beeten stammt, ist bemerkenswert.

„Kaffee ist dafür bekannt, von Ort zu Ort unterschiedlich zu schmecken“, erklärt Peter Giuliano, Forschungsleiter der Specialty Coffee Association of America, „aber in Äthiopien gibt es eine größere Geschmacksvielfalt als in allen anderen Ländern der Welt zusammen. Jede Art von möglichem Kaffeegeschmack ist an seinem Ursprungsort zu finden.“

Die genetische Vielfalt in diesem Saatgut – in Äthiopien und weltweit – hat sich jedoch verringert, was auf weitreichende Änderungen in der Landwirtschaft in Richtung eines zunehmend homogenisierten Lebensmittelsystems zurückzuführen ist. Das ist erneut der Grund, warum Äthiopien für die Versorgung mit Kaffee so wichtig ist. Während die Welt auf immer weniger Kaffeevarianten baut, die für eine Vielzahl von verheerenden Krankheiten anfällig sind, besteht in Äthiopien die größte Vielfalt der Pflanze, sowohl auf Farmen als auch in der Wildnis. Es ist unser Back - up - System, um zukünftige Herausforderungen anzugehen, mit denen die Pflanze konfrontiert werden könnte.

Das ist es, worüber ich nachdenke, während meine Hände zum Schrank, der kleinen Mühle, mit der ich meinen Kaffee zermahle, zum Wasserkocher, zur Aeropress und zur Tasse wandern. Dass dieser Moment, dieser lebhafte und dennoch beruhigende Start in den Tag, nur durch die Herzen und Hände von denjenigen ermöglicht wird, für die dieses Getränk ihr Geburtsrecht ist.

„Buna dabo naw“ heißt die lokale Redensart. Kaffee ist unser Brot.

Ein Reisebericht von Simran Sethi

Sonntag, 17. September 2023

Auf der Suche nach dem Spirit von Sansibar

Stone Town, die Hauptstadt von Sansibar auf der Hauptinsel Unguja, ist voller Shetani. Diese ostafrikanischen Geister sind hier praktisch überall, hinter jeder Ecke und in den Gassen und Kronen der Banyanbäume. Vom meinem Platz hoch oben im Rooftop Restaurant rechne ich mir daher gute Chancen aus, die Shetani selbst zu Gesicht zu bekommen. Neue Freunde, die ich auf dieser Gruppe von etwa 40 Inseln gefunden habe, sprachen recht liebevoll von diesen Beschützern ihrer Heimat. Doch irgendwann zwischen meinem zweiten und dritten Dawa – ein Getränk mit Zitronen - und Honiggeschmack, dessen Name in Suaheli „Zaubertrank“ bedeutet und das mit Wodka gemischt werden kann – habe ich aufgehört, nach Geistern Ausschau zu halten. Dawa ist nämlich ganz schön stark (und echt lecker)!

Egal, ob du Shetani nachjagst oder nicht, Stone Town ist eine Stadt, in der man sich ganz wunderbar verlieren kann. Ihre Straßen sind eng wie Wanderwege und schlängeln sich vorbei an Moscheen und Steinhäusern mit schweren Holztüren, die mit massiven Messingarbeiten mit Koranzitaten verziert sind. Jede einzelne Straße scheint zugleich überall und nirgendwo hinzuführen und irgendwie enden sie alle im Darajani Bazaar, den Forodhani Gardens und dem House of Wonders am Meer in der Altstadt. 

Außerdem spürt man die reiche Geschichte Sansibars in jedem Winkel und an jeder Ecke der Stadt. Diese Inseln werden bereits seit etwa 20.000 Jahren von Menschen bewohnt und waren von 1499 bis Mitte der 1960er Jahre durchgehend eine Kolonie verschiedener Mächte, unter anderem Portugal, Oman und Großbritannien. Seit 1964 ist Sansibar eine semiautonome Region von Tansania mit tief verwurzelter lokaler Mythologie und einer Kultur, die afrikanische mit arabischen Einflüssen verbindet. Hier herrscht eine absolut einzigartige Atmosphäre voller Geschichte und Weisheit und ich wandle buchstäblich in den Fußstapfen von Persönlichkeiten wie dem Dichter Arthur Rimbaud, dem Entdecker David Livingstone und Scheherazade.

Ich spüre ihre Gegenwart beim Besuch traditioneller Gewürzplantagen. Ich stelle sie mir vor, wie sie Ochsenkarren, mit frischem Fisch beladenen Fahrrädern und Zuckerrohrsaftverkäufern ausweichen. Ich denke an sie, wenn ich im Livingstone Beach Restaurant Musik höre. Ich sehe Mahatma Gandhi und Freddie Mercury neben mir stehen, wenn ich ihren alten Tummelplatz Tembo House besuche, und folge ihren Spuren in Richtung Südosten. 

Hier wartet Bwejuu auf mich, ein Strand, der bereits unzählige Male zu einem der schönsten der Welt gewählt wurde. Obwohl hier einiges los ist, ist es dennoch ruhig. Erstaunlich, wie hungrig man vom bloßen Chillen werden kann, und als die Sonne untergeht spaziere ich zu The Rock, einem traditionellen Restaurant auf einem Felsen im Meer, zu dem man bei Ebbe zu Fuß laufen kann. Hier esse ich das Reisgericht Pilaw mit dem Fang des Tages, in einer Ingwer - Zimt - Sauce gekocht. Während des Essens kommt die Flut und zurück muss ich das Boot nehmen. 

Das Boot bringt mich auch zu meinem letzten Stopp, Kwendwa im Norden. Rund um mich sehe ich Daus, die traditionellen örtlichen Segelschiffe. Manche sind auf dem Weg zu ihren Fischgründen, andere bringen Schnorchler und Taucher zum zauberhaften Korallenriff Mnemba hinaus. Das ist das Sansibar unserer Träume: Ein tropisches El Dorado von unglaublicher Schönheit. Auf dem Weg zum Spa im Hotel Kilindi, wo ich mir eine „Afrikanische Kartoffel - Ganzkörperpackung“ gönne, begegnet mir keine Menschenseele. Die Wellness - Behandlung wird begleitet vom Rascheln der Palmenblätter und dem Rauschen der Brandung. Es klingt wie ein Flüstern. Kann es sein, dass die Shetani ein Auge auf mich haben?

Ein Reisebericht von Linda Iliste

Freitag, 15. September 2023

In Uganda zu Gorilla - Kaffee aufwachen

Das Schwarz - Weiß - Wandbild eines Silberrückens lugt hinter brummenden Espressomaschinen im Gorilla Conservation Cafe in Entebbe, Uganda, hervor – ein angesagter Treffpunkt in der Innenstadt, der genauso gut nach New York oder London passen könnte.

Das gleiche faszinierende Gesicht ziert Packungen mit gerösteten Arabica - Bohnen, die sich in Regalen stapeln – die Früchte eines sozialen Unternehmens, das sowohl Gorillas als auch ihren menschlichen Nachbarn zugutekommt.

„Kanyongi“ – der Name des betreffenden Gorillas – „war einer meiner Lieblings - Berggorillas“, erklärt Gladys Kalema - Zikusoka, eine ugandische Tierärztin und moderne Dian Fossey, die das Projekt „Gorilla Conservation Coffee“ als Ableger ihrer Nichtregierungsorganisation „Conservation Through Public Health“ ins Leben gerufen hat.

Kanyongis Herde „Mubare“ (bzw. „M - Gruppe“) war die erste an Menschen gewöhnte Gorillagruppe, die vor 30 Jahren in die Tourismusbranche eingeführt wurde. 

„Ich kannte Kanyongi seit seiner Geburt vor 25 Jahren“, sagt Gladys liebevoll und betrachtet das Bild, das auch auf T - Shirts gedruckt ist, die zum Kauf angeboten werden. „Er war ein verspielter Silberrücken, der immer gerne mit Touristen interagiert hat.“

Passenderweise entschied das Team, seine erste Sorte nach dem Silberrücken zu benennen, um seinen Geist in einem Projekt weiterleben zu lassen, das wahrscheinlich zahlreiche Leben verändern wird.

Du hast die Wildtiere gesehen? Dann geh jetzt auf Gorilla - Safari.

Sam, der über Generationen in seiner Familie brachliegendes Ackerland wieder urbar gemacht hat, ist einer von den mehr als 70 Bauern, die derzeit vom „Gorilla Conservation Coffee“ profitieren. Er klettert steile, matschige Hänge in den Hügeln außerhalb der Stadt hinunter, zeigt mir aufgeregt einige seiner Pflanzen und fordert mich auf, die reifen roten Kirschen zu pflücken.

Sam, der Vorsitzender der „Bwindi Coffee Farmers‘ Co - operative“ ist, hat kürzlich in Zusammenarbeit mit CTPH eine einstündige Kaffee - Safari gestartet, auf der Touristen herausfinden können, wie genau der Prozess von der Bohne bis zum Kaffee in der Tasse abläuft.

„Ich lerne bessere Methoden und erziele bei jeder Ernte einen höheren Ertrag“, erzählt er mir, während wir uns anschauen, wie frische Kirschen mithilfe eines einfachen Wassersystems (die schlechten schwimmen oben) verlesen werden, bevor wir dabei zusehen, wie eine vergorene Mischung eingestampft und getrocknet wird. Die ganze Arbeit hier wird von Hand verrichtet.

Jeder – egal, wie klein das jeweilige Stück Land auch sein mag – ist jetzt an der Kaffeeproduktion interessiert. „Meine Frau Juliet hat ihr eigenes Stück Ackerland“, sagt Sam und gibt zu: „Es ist viel besser als meins.“

And what about the gorillas?

„Sie kommen zwar,“, lacht Sam, „aber nicht sehr oft. Wenn sie kommen, lassen wir sie von einem Mitglied von HUGO (eine andere Initiative von CTPH) verjagen.“

Mehr als alles andere ist Sam stolz darauf, seinen eigenen Kaffee auf seinem eigenen Ackerboden zu trinken – eine Erfahrung, zu der er mich einlädt, sie mit ihm zu teilen. „Ich bin sehr froh, dass ich diese Möglichkeit habe“, sagt er, während er die dicke schwarze Flüssigkeit schlürft, die auf einem Herd erwärmt wurde. „Es ist etwas ganz Besonderes.“

Ich muss zustimmen. Und der Kaffee ist auch ziemlich gut.

Ein Reisebericht von  Sarah Marshall

Sanatoriums - Vacabee - Oasis - Auras