Memphis Tours

Donnerstag, 20. April 2023

Schwärmen für Anfänger - über die Amalfiküste

Die Amalfiküste bietet ungezählte Bilderbuchstädtchen und großartige Farbenpracht.

Man sollte gar nicht erst hinfahren, wenn man nicht noch monatelang davon schwärmen will. Besser ist es, keine Ahnung zu haben, wie herrlich es an der Amalfiküste ist – dann muss man sich wenigstens nicht ständig im deutschen Niesel - Fiesel - Sommer mit der Sehnsucht nach dem sonnengefluteten Land am Mittelmeer rumschlagen.Was vielleicht überzogen klingen mag, entpuppt sich als charismatisches Urlaubsziel. Der Tourist, der das erste Mal einen Fuß in die Gegend rund um Neapel setzt, kommt mächtig ins Staunen. Über die Bäume, an denen rübengroße Zitronen baumeln. Über diese Küste, deren Blau so intensiv ist, dass es schon fast in den Augen schmerzt. Und vor allem über diese niedlichen Städte, deren Häuser wie gemalt an den Hängen kleben.

Die Amalfiküste ist der Ort, an dem man das Schwärmen lernen kann. Zumindest dann, wenn man in der Vor - oder Nachsaison reist. Denn im Juli und vor allem im August, wenn in Italien wirklich alle in die Ferien fahren, wird es eng in den Gassen. Dann drängen sich Autos, Busse, Roller und Fußgänger auf der schmalen Küstenstraße und die Menschen in den Gassen der vielen Orte, von denen einer schöner als der andere zu sein scheint.

Der ganze Golf von Neapel und die Küste hin zum Bilderbuchstädtchen Amalfi sieht aus, als wäre eine Farbpalette mittenrein gekracht. Das Mittelmeer leuchtet – der Himmel meistens auch – die Boote sind weiß, die Häuschen rosa, gelb oder hellblau, die Kathedralen majestätisch: Es ist Italien wie auf einer Kitsch - Postkarte, die Touristen Mitte der 60er - Jahre nach Hause schickten. Und deren Anblick unbändiges Fernweh bei den daheim Gebliebenen auslöste.

Man kann sein Herz verhärten, wie man will: Der Charme der Gegend ist enorm. Neapel ist Großstadt und wuseliges Gassenparadies zugleich, der weithin sichtbare Vesuv ist mächtig und faszinierend, Städtchen wie Sorrent und Positano vibrieren vor Lebenslust und Inseln wie Capri und Ischia haben – Tourismus hin oder her – kaum etwas von ihrer Grandezza verloren. Wer einmal da war, will wieder hin. Die Versuchung, zum Wiederholungstäter zu werden, das Land, in dem die Zitronen blühen, nochmal und in Ruhe anzuschauen, ist groß. Goethe hatte mal wieder recht: Es lohnt sich.

Autofahren

Die Straße entlang der Amalifiküste – Amalfitana genannt – gilt als eine der schönsten Küstenstraßen der Welt. Doch man muss ein beherzter Autofahrer sein, wenn man sich mit dem Auto zwischen Linienbussen, Lastwagen und Vespas durchschlängeln möchte: Die Infrastruktur der kleinen Orte ist nicht für ein hohes Verkehrsaufkommen ausgelegt, Umgehungsstraßen gibt es kaum. Hinter den Städten ragt meist massiver Fels auf. Dementsprechend stressig ist auch die Parkplatzsuche. Und selbst wenn man einen findet, staunt man über Parkgebühren. Die können auch in New York kaum höher sein. Für Wohnmobile und Wohnwagengespanne ist die 40 Kilometer lange Strecke zwischen Vietri sul Mare und Positano täglich von 6.30 bis 24 Uhr gesperrt.

Ein Reisebericht von Claudia Brandau

Mittwoch, 19. April 2023

Im Bann der Ketzer - über den Südwesten Frankreichs

Der Südwesten Frankreichs war einst die wichtigste Bastion der Katharer. Was davon blieb, sind die Schauplätze ihrer Existenz und spannende Geschichten.

„Nichts ist von ihnen geblieben. Absolut nichts. Es gibt keine Schriften. Es gibt keine Bilder. Keine Kirchen. Keine Kultgegenstände. Die Anarchisten des 12. Jahrhunderts wurden von ihren Gegnern auf Scheiterhaufen verbrannt und mit Stumpf und Stiel ausgerottet.“ Jean - Louis ist ganz aus dem Häuschen vor Begeisterung, was nicht so ganz korrespondieren will mit seiner eher beklemmenden Ouvertüre. Doch die Erklärung folgt prompt: „Und trotzdem kommen die Leute aus aller Welt in Scharen, um sich auf die Spuren dieser Menschen und ihres Glaubens zu begeben. Ist das nicht wunderbar? Willkommen also im Land und in der faszinierenden Welt der Ketzer.“

Wie ein zappeliger Harlekin tanzt der aufgedrehte Franzose über den obersten Mauerumgang von Carcassonne und dreht sich mit ausgestrecktem Arm um die eigene Achse. Im Westen zeigt sein Finger Richtung Toulouse, im Norden nach Albi. Im Osten liegt Béziers nicht weit entfernt und im Süden thronten auf steilen Felsen berühmte Bergbastionen wie Montségur und Quéribus. Allesamt Hochburgen und Zufluchtsorte des Katharismus, so wie auch die mittelalterliche Bilderbuch - Burgenstadt Carcassonne mit ihren dicken Mauern und vielen Türmen.

„Fast alles, was wir heute über die Katharer wissen, stammt aus Schriften ihrer Gegner und den Archiven der Inquisition“ fährt Jean - Louis fort und unternimmt mit uns in den nächsten anderthalb Stunden eine Zeitreise. Was überhaupt nicht schwerfällt innerhalb der tollen Kulissen von Carcassonne. Kaum jemanden würde es wundern, kämen sie hier am Burggraben um die Ecke - jene hageren, bleichen und langhaarigen Gestalten in ihren wallenden schwarzen Gewändern, die auf ihre Mitmenschen wie Wesen aus einer anderen Welt gewirkt haben müssen.

Damals, im 12. Jahrhundert, erlebte das südliche Frankreich eine kulturelle Blütezeit. Troubadoure zogen durchs Land, priesen die sittliche Hoheit der Frau als Verkörperung des Göttlichen und besangen die keusche Liebe. Die Katharer übertrugen diese Minnegesänge auf die spirituelle Ebene - für sie war das die vollkommene Welt Gottes. Das Gute also. Im Gegensatz dazu existierte die materielle Welt als Reich des Bösen mit Satan als Schöpfer alles Irdischen.

In der Absage an diese Welt waren die Katharer überaus rigoros. Die Reinen, wie sie sich nach dem griechischen Wort „katharos“ nannten und woraus die Kirche später den Begriff Ketzer ableitete, lebten in extremer Askese, strebten nicht nach Besitz und verurteilten das Geld „als Fäulnis der Seele“. Sie bekämpften jede Form von Sinnlichkeit und Sinneslust als Sünde, lehnten die Fortpflanzung ab und propagierten - wie die Troubadoure - die platonische Liebe und die Tugend der Keuschheit - nur so könne man Gott sehen.

Ihre Haltung zur Kirche war drastisch: Sie lehnten Lehren, Dogmen und Sakramente strikt ab. Sie geißelten die Institution als verdorben und verteufelten den Papst als Antichrist. Bilder - und Kreuzverehrung sowie der Bau von Kirchen waren für sie Götzendienst.

„Mit alldem hatten sie riesigen Erfolg“, meldet sich Jean - Louis wieder zu Wort, „denn im Gegensatz zur Kirche haben sie ihren Glauben wahrhaftig gelebt. Damit fanden sie glühende Anhänger nicht nur im Volk, sondern auch bei vielen adligen Männern und Frauen, die sie unterstützten oder selbst zu so genannten Vollkommenen wurden.“

Die Kirche wurmte all das gewaltig. Als verstärkter Missionseinsatz nichts fruchtete, griff sie schließlich zu Feuer und Schwert. „Tötet sie alle, Gott wird die Seinen schon erkennen!“ - mit dieser Parole legitimiert der päpstliche Legat im Juli 1209 die Brandschatzung von Béziers und die Ermordung seiner 20.000 Einwohner, von denen nur etwa zehn Prozent Katharer waren.

„Nach dem Massaker von Béziers kamen sie hierher“, erzählt Jean - Louis mit so viel Leid in Antlitz und Stimme, als sei er dabei gewesen. Eigentlich galt Carcassonne wegen seiner massiven Befestigung als uneinnehmbar, doch der Stadt ging das Trinkwasser aus - sie musste kapitulieren. „Hier richteten die fanatisierten Kreuzritter zwar kein Blutbad an, aber die Einwohner wurden aus der Stadt verbannt und mussten sie im bloßen Hemd und ohne ihr Hab und Gut verlassen.“

Fortan jedenfalls loderten überall im Süden die Scheiterhaufen, auf denen Katharer hingerichtet wurden. Die Überlebenden verschanzten sich im schwer zugänglichen Bergland in den Burgen der ihnen weiterhin wohlgesonnenen Fürsten. Die letzte große Schlacht fand 1244 um den Montségur statt; nach zehnmonatiger Belagerung fiel die Ikone des katharischen Glaubens. 200 Katharer weigerten sich, ihrer Religion abzuschwören und starben im Feuer.

Noch 11 Jahre länger hielt Quéribus durch. Der Aufstieg zu den Ruinen der Felsenbastion ist zwar nicht lang, aber durchaus anstrengend. Kaum vorstellbar, dass und wie sich 1255 die Truppen des Königs in voller Montur und Bewaffnung diesen nackten Felsen hinauf gequält haben, um die letzte Fluchtburg der Katharer zu erobern. Nach zehn Minuten jedenfalls kochen wir im eigenen Saft und keuchen uns die Lungen aus dem Hals. Zur Belohnung gibt’s eine fantastische Aussicht und Details zur Schlacht um die Burg.

Auch die quirlige Backsteinstadt Toulouse und das reizende Albi gehören unbedingt auf die Agenda, wenn es um die Katharer geht. Denn abgesehen von manch anderem touristisch Interessanten stehen hier imposante Bauten, in denen sich die lange Auseinandersetzung zwischen Kirche und Ketzern manifestierte. Die rote Backstein - Kathedrale Sainte - Cecile in Albi zum Beispiel, die sich wie eine Festung über der Stadt erhebt, ist ein Werk des Bischofs und Großinquisitors Bernard de Castanet, der die Feinde der Kirche im Languedoc mit besonderer Grausamkeit verfolgte. Ihr einmaliges Aussehen und ihr Charakter als Wehrkirche gehen auf diese Zeit zurück - später erhielt die Kirche den wenig gottgefälligen Beinamen „Kathedrale des Hasses“. Kein Katharer jedenfalls hat ihre Fertigstellung erlebt – der angeblich allerletzte starb 1321 auf dem Scheiterhaufen.

Ein Reisebericht von Ekkehart Eichler

Dienstag, 18. April 2023

Kasbahs, Schluchten und Oasen - über den Süden Marokkos

Der Südosten Marokkos ist landschaftlich wie kulturell eine Offenbarung.

„Hier wachsen Datteln, Aprikosen, Oliven, Mandeln, Feigen, Trauben und Granatäpfel“, zählt Moulay auf, nur das Wort „Maulbeerbaum“ will ihm partout nicht stolperfrei über die Lippen kommen. Macht aber nichts: Mit schallendem Gelächter untermalt er seine gelegentlichen putzigen Abstecher ins Deutsche und empfängt dafür zu recht Lob und Beifall seiner Gäste. Der quirlige Berber führt uns durch die Oase von Tinerhir. Eine der größten im Süden Marokkos und eine der schönsten dazu: Das dunkelgrüne Band von Abertausenden Dattelpalmenwipfeln kontrastiert ausgesprochen malerisch mit den rostroten schroffen Felsen in seinem Rücken.

Schon die puren statistischen Daten nötigen Respekt ab - die Oase ist 24 Kilometer lang und versorgt 30.000 Familien mit Obst, Gemüse, Getreide, Tee, Gewürzen sowie Holz und Palmwedeln als Bau - und Brennstoff. Doch wie sich das konkret gestaltet, mit welch Fleiß und Erfindungsreichtum die Bauern jeden Tropfen Wasser nutzen, um dem extremen Umfeld ihre Lebensgrundlagen abzuringen, bringt uns immer wieder zum Staunen.

Nur einmal trübt sich Moulays blendende Laune auf diesem ebenso lehrreichen wie amüsanten Spaziergang. Als wir am Wegrand auf teils verrottete, teils abgefackelte Palmstämme stoßen, erzählt er von der mysteriösen Krankheit, die Bäume in ganz Nordafrika befallen und auch um Tinerhir keinen Bogen gemacht habe. Eine echte Katastrophe, „denn für uns ist die Dattel so lebenswichtig wie für Euch Europäer Kartoffeln oder Brot.“ Und um Allah zu beschwören, den Fluch zu bannen, hebt er plötzlich die Hände und spricht magische Formeln in den wolkenlosen Himmel. Sein Glaube wird Berge versetzen, so hoffen wir. Inschallah!

Zauber - diesmal für die Augen - ist im Spiel, wenn es um den Fluss Todra geht, der übrigens das Oasenwunder erst möglich macht. Er entspringt im Hohen Atlas und sprudelt in großen Schleifen durch imposante Berge, die sich kurz vor Tinerhir dramatisch verengen. Hier fallen die 300 Meter hohen Steilwände beinahe senkrecht ab, und der schmalste Durchgang misst gerade mal 10 Meter. Eine umwerfende Landschaft, in der man sogar übernachten kann - zwei einfache Hotels machen´s möglich.

Nur zwanzig Kilometer weiter lockt schon die nächste spektakuläre Schlucht. Diesmal ist es der Dades, der sich ein grandioses, wild zerklüftetes Flussbett durch steinerne Märchenkulissen gefräst hat. Auch hier sprenkeln Oasenfelder mit saftigem Grün und Obstbäume mit pastellfarbenen Blüten leuchtende Tupfer ins nackte Braun der Berge. Und für gesteigerten optischen Reiz sorgen prächtige Kasbahs und dekorative Kasbah - Ruinen, deren eingefallene Türme wie Zahnstummel gen Himmel ragen.

In den nächsten zwei Tagen werden diese für den Süden Marokkos so typischen Lehmbauten unsere ständigen Begleiter sein. Allein im Dades - Tal soll es tausend Kasbahs geben, und auch wenn diese Zahl eher des touristischen Slogans wegen publiziert wird und auch typologisch längst nicht alles Kasbah ist, was für uns wie Kasbah aussieht, wir haben längst aufgehört zu zählen, was da links und rechts an Flussufern oder Berghängen lehmfarben emporwächst und genau jene unglaubliche Exotik entfaltet, die man von Marokko erhofft.

Majoub, unser stets freundlicher, umsichtiger und allwissender Fahrer, setzt noch einen drauf. Er kennt auch Perlen abseits der touristischen Trampelpfade und führt uns so zum Beispiel zum behutsam renovierten Kasbah - Schmuckstück von Amridil in der Oase Skouna und dem nicht minder trutzigen Bauwerk von Tifoultoute in Ouarzazate.

Hauptattraktion dieses boomenden Wirtschafts - und Tourismuszentrums ist - natürlich wieder eine Kasbah. Der wuchtige und verschachtelte Wohnburg - Komplex von Taourirt war einst Residenz des berühmt - berüchtigten Berberfürsten El Glaoui. Dieser kontrollierte alle Pass - Straßen, unterwarf rücksichtslos andere Berber - Klans, zwang Oasenbauern zu Tributen und etablierte ein Feudalreich, das bis 1956 bestand. Dann brach ein geplanter Sturz des Sultans den bis dato allmächtigen Glaoui das Genick - und ihr gesamter Besitz wurde enteignet.

Ein weiterer Höhepunkt jeder Marokko - Reise liegt eine halbe Stunde nördlich von Ouarzazate: Ait Benhaddou, das berühmteste aller südmarokkanischen Stampflehmdörfer, das mit seinen Türmen, Zinnen und teils schießschartengroßen Fensteröffnungen wie eine uneinnehmbare Festung wirkt und seit 1987 zum UNESCO - Welterbe gehört.

Schon die Lage ist überaus malerisch. In der Ferne verschmelzen die schneebedeckten Viertausender des Hohen Atlas mit dem blassblauen Himmel. Davor eine surreale Ödnis, in die sich das rotbraune Dorf, umgeben von Obstgärten und kleinen Feldern, so harmonisch an den steilen Hang schmiegt, als sei es von Natur aus entstanden.

Kein Wunder, dass Ait Benhaddou mit diesem Flair vor vielen Jahren schon ins Fadenkreuz einer speziellen Industrie geriet. Hollywood drehte schier durch vor Begeisterung und, ungeachtet extremer klimatischer Bedingungen und heftiger logistischer Probleme, einen Monumentalschinken nach dem anderen.

Der alte Youssuf war bei jedem am Set dabei und zählt wie aus der Pistole geschossen auf: 1961 „Lawrence von Arabien“, womit für Omar Sharif die internationale Karriere begann. Ein Jahr später „Sodom und Gomorrha“ unter der Regie von Robert Aldrich. Martin Scorsese drehte hier 1988 Szenen des umstrittenen Films „Die letzte Versuchung“. Steven Spielberg ließ für „Die Jagd nach dem Juwel vom Nil“ Michael Douglas mit einem Jet durch ein riesiges Tor düsen, dass täuschend echt vor die originale Kulisse gebaut wurde und heute noch so aussieht, als habe es schon immer dazugehört. Und natürlich erinnert sich der alte Mann noch bestens an den Sklavenmarkt und die Kampfszenen aus „Gladiator“, als Protagonist Russell Crowe erstmals in die Arena muss - zum Kampf auf Leben und Tod.

Ein Reisebericht von Ekkehart Eichler

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