Samstag, 21. Oktober 2023

Geschichte und Traditionen - Das Burmesische Neujahrsfest (Thingyan) feiern

Die riesige Glocke läutet über uns, tausende von Kerzen flackern und der Geruch von Weihrauch liegt in der Luft. Mönche sitzen Reihe an Reihe in burgundrote Gewänder gehüllt und beten mit gesenktem Kopf und gebeugten Knien. Hunderte von jungen Damen haben sich in der Halle versammelt, mit Besen in der Hand, um das Pech des vergangenen Jahres wegzufegen und einen neuen Anfang zu begrüßen.

In der Shwedagon Paya, die auch als Goldene Pagode bekannt ist, herrscht eine festliche Stimmung. Die auf einem Hügel im Herzen von Yangon thronende Pagode ist das Wahrzeichen und die heiligste religiöse Stätte des Landes. Ich kam an einem sehr besonderen Tag in Myanmar (das ursprünglich Burma hieß, aber im Jahr 1989 von der Regierung umbenannt wurde) an; am birmanischen Neujahrstag oder Thingyan, dem wichtigsten Feiertag des Landes.

Burmas wichtigster Feiertag

Das buddhistische Fest Thingyan, das jedes Jahr vom 13. bis 16. April stattfindet, wird über vier bis fünf Tage hinweg gefeiert, mit dem Höhepunkt der Feierlichkeiten am Tag des neuen Mondjahres. Das Werfen von Wasser ist der beliebteste Brauch dieses Festes und man trifft so gut wie überall im Land Menschen an, die sich gegenseitig mit Wasser übergießen.

Thingyan hat seinen Ursprung in einem Hindu - Mythos. Der König von Brahmas, Arsi genannt, verlor eine Wette gegen den König von Devas, Thagya Min, der Arsi enthauptete. Wie durch ein Wunder wurde der Kopf eines Elefanten auf Arsis Körper gesetzt, so entstand Ganesha.

Der Hindu - Gott war so mächtig, dass das Meer sofort austrocknen würde, wenn sein Kopf dort hineingeworfen würde. Würde dieser auf den Boden geworfen, würde das Land verbrennen. Würde er hoch in die Luft geworfen, würde der Himmel in Flammen aufgehen.

Deshalb ordnete Thagya Min an, dass Ganeshas Kopf von Prinzessinnen getragen werden sollte, die sich jeweils nach einem Jahr abwechseln sollten. Das neue Jahr wurde so zum Symbol des jährlichen Wechsels.

Thingyan - Traditionen: alt und neu

Am Vorabend des Thingyan - Festes findet eine Reihe von religiösen Aktivitäten statt. Buddhisten sollen dabei die acht Gebote einhalten. Eines davon ist, vor Mittag nur eine Mahlzeit zu sich zu nehmen. Zudem werden den Mönchen in ihren Klöstern Almosen und Spenden erbracht.

Viele Einheimische verbringen außerdem mehrere Tage im Tempel, um dort zu beten und ehrenamtliche Arbeiten auszuführen, in der Hoffnung, dass ihnen so ihre Sünden vergeben werden. Zu dieser Zeit ist die Shwedagon Paya am belebtesten und ein andauernder Strom von Buddhisten bewegt sich während dieser Tage dort ein und aus.

Der eigentliche Tag Thingyan ist als a - kya Nei bekannt, dem Tag, an dem Thagya Min, der König von Devas, von seiner himmlischen Wohnstätte zur Erde abstieg. In den meisten Städten und Gemeinden wird eine Kanone abgefeuert und die Menschen kommen mit Töpfen mit Wasser auf die Straße und gießen das Wasser auf den Boden, während sie ein Gebet sprechen.

An diesem Tag beginnt in den meisten Teilen des Landes die richtige Wasserschlacht. Traditionell wurde an Thingyan duftendes Wasser aus einer silbernen Schüssel gespritzt, ein Brauch, der weiterhin überwiegend in ländlichen Gegenden üblich ist. Das Spritzen mit Wasser war eine metaphorische Geste des „Reinwaschens" von den Sünden des Vorjahres.

In größeren Städten wurde die silberne Schale durch Gartenschläuche, Wasserballons, Wasserpistolen und sogar Feuerwehrschläuche ersetzt. Es werden Wassersprühstationen, die Pandals genannt werden, aufgebaut, die gleichzeitig als Tanzflächen dienen. Viele dieser Pavillons werden von reichen und einflussreichen Familien und Unternehmen gesponsert. Einheimische (Jung und Alt) gehen auf die Straße, um sich gegenseitig mit eimerweise duftendem Wasser zu begießen. Auf den Boulevards tanzen Jugendliche zu aus riesigen Verstärkern dröhnender Popmusik. Kübelweise regnet das Wasser wie ein Monsun begleitet von Lachen, Jubeln und guten Wünschen.

Der Wandel der Zeit

Thingyan ist vergleichbar mit anderen Neujahrsfeierlichkeiten in Teilen Asiens, die den Theravada - Buddhismus praktizieren – wie das berühmte Songkran - Festival in Thailand, das Neujahrsfest in Kambodscha und das singhalesische Neujahr in Sri Lanka.

Aber im Vergleich zu diesen Orten, befindet sich Burma noch relativ außerhalb der Touristenpfade und wurde bisher weniger von der Außenwelt beeinflusst. Die Thingyan - Feierlichkeiten hier sind eher traditionell und viele der alten kulturellen Praktiken sind hier noch sehr lebendig.

Die Dinge werden sich jedoch noch weiter ändern. Seit 2010 haben viele politische Reformen stattgefunden und das Land hat viele Änderungen erlebt. Der Tourismusboykott wurde aufgehoben, Touristen sind heute in Burma herzlich willkommen.

Bis jetzt befindet sich Burma jedoch immer noch auf dem Weg der Erneuerung. Ein Hauch staubiger Nostalgie hängt an jeder Ecke, Lokomotiven werden von Motoren aus den 60er - Jahren angetrieben und die Menschen bewegen sich auf heruntergekommenen LKWs und Wasserbüffelkutschen fort. Männer schlendern im Longyi umher, ihre Münder blutrot vom Kauen der Betelnuss, die Gesichter der Frauen sind mit Thanaka bemalt, einem weißen natürlichen Sonnenschutz aus Akazienbaumrinde.

Das Reisen in diesem Land ist ein Erlebnis: Es gibt nur wenige Geldautomaten, fast keinen Internet - Zugang, das Mobiltelefonnetz ist nicht existent und es herrscht ein willkommener Mangel an globalen Marken und Hotelketten. Für Leute, die zum ersten Mal reisen, kann es überwältigend sein. Aber hat man sich einmal an die altweltliche Atmosphäre gewöhnt, ist Burmas Charme unwiderstehlich.

Wenn ihr vorhabt, nach Burma zu reisen, ist Thingyan zweifellos die beste Zeit des Jahres, um das Land zu besuchen. Neben den unterhaltsamen Aktivitäten und der festlichen Atmosphäre werdet ihr garantiert viele Birmanen treffen, die extrem begierig sein werden, eure Hand zu schütteln und ihr Englisch mit euch zu üben. Ich habe aufgehört, zu zählen, wie oft mich die freundlichen Einheimischen mit „Welcome to Burma!“ begrüßten.

Ein Reisebericht von Nellie Huang

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