Donnerstag, 14. September 2023

Von Matisse bis zu den Rolling Stones - die künstlerische und wilde Vergangenheit von Tanger

Die meisten Städte in Marokko haben eine Menge Geschichten zu erzählen, aber nur wenige haben einen solch freizügigen Ruf wie die alte Hafenstadt Tanger.

Tanger ist eine Stadt voller Mythen. Der klassischen Mythologie zufolge befand sich hier eine der Säulen Herakles‘, die das Ende der bekannten Welt markierten, hinter dem der versunkene Kontinent Atlantis lag. Die Stadt liegt an der Meerenge zwischen Afrika und Europa und die enge Verbindung zwischen den beiden Kontinenten ist vermutlich auch für den ungewöhnlichsten Abschnitt in ihrer Geschichte verantwortlich.

Als die europäischen Kolonialmächte Afrika unter sich aufteilten, wurde die Stadt Tanger aufgrund ihrer großen strategischen Bedeutung zu einem Freihafen gemacht. Marokko konnte nur zusehen, wie Großbritannien, Frankreich, die USA und eine Reihe anderer Länder einen Sitz in dem Rat beanspruchten, der über Tanger regierte und sich einen Großteil der Reichtümer der Stadt unter den Nagel riss. Selbst Schweden mischte dabei eifrig mit.

Während des Kriegs war Tanger ein Brennpunkt internationaler Intrigen. Agentennetzwerke der Alliierten und der Achsenmächte spionierten einander tagsüber aus und trafen sich abends beim Cocktail. Heute können Besucher der Stadt einige der alten Schauplätze dieses Spionagekriegs besuchen, etwa Caid‘s Bar im Hotel El Minzah, angeblich das Vorbild für Rick‘s Bar im Filmklassiker Casablanca.

Richtig los ging die Party dann in den 1950er Jahren, als die „Alles geht“ - Atmosphäre in Tanger Künstler und Schriftsteller in die Stadt lockte. Bei einer Tasse Kaffee im Gran Café de Paris auf dem Place de France, einem einst beliebten literarischen Salon im Art - Déco - Stil, kannst du dir lebhaft vorstellen, am Nebentisch einer Unterhaltung zwischen Truman Capote und Tennessee Williams oder dem lange Jahre in Tanger lebenden Paul Bowles, Autor von Himmel über der Wüste zu lauschen. Von dort kannst du zum kürzlich renovierten Grand Hôtel Villa de France spazieren, wo der Maler Matisse gewohnt hat. Sein Lieblingszimmer (Nr. 35) wurde im Originalzustand aus seinen Tagen erhalten, wobei die aktuellen Besitzer jedoch zumindest eine moderne Toilette eingebaut haben.

Wenn dir der Sinn nicht so sehr nach hoher Kunst steht, kannst du dich auch in die Medina stürzen auf der Suche nach dem prallen Leben. Heute schlürfen Touristen Minztee in den Cafés am Platz Petit Socco, doch vor 50 Jahren ist hier William Burroughs herumgehangen auf der Suche nach harten Drogen und billigem Sex, bevor er dann in das Muniria Hotel (das es auch heute noch gibt) weitergezogen ist, um sein surreales Meisterwerk Naked Lunch zu schreiben, in dem er die zwielichtige Internationale Zone in Tanger in die noch dubiosere fiktionale Interzone verwandelte. Allen Ginsberg und Jack Kerouac, die beiden berühmten Autoren der Beat - Generation, besuchten beide Burroughs in Tanger und abends kannst du ihre Geister in der Bar Le Tangerine aufleben lassen, einst eine der Lieblingskneipen der Autoren und heute ein Treffpunkt örtlicher Hipster. 

Im Vergleich zu Tanger, schrieb ein Autor 1950, „war Sodom ein Kirchenpicknick und Gomorrha ein Pfadfinderinnentreffen“. Als die Stadt 1956 schließlich ein Teil Marokkos wurde, wurde stärker auf die Wahrung der Moral geachtet, doch die Stadt zog dennoch zahlreiche ausländische Besucher an, von stylischen Vertretern des internationalen Jetsets bis zu schwulen Briten in der Zeit, bevor die Homosexualität in ihrer Heimat entkriminalisiert wurde. Die Rolling Stones waren Fans der Stadt und Brian Jones war ein regelmäßiger Besucher, der hier die Trance - Rhythmen traditioneller marokkanischer Musik aufnahm.

Die Party endete schließlich in den 1960er Jahren, als im Zuge des „Großen Skandals“ rigoros gegen Bordelle und die Schwulenszene vorgegangen wurde und zahlreiche Ausländer des Landes verwiesen oder verhaftet wurden. Der Verkauf von Alkohol wurde in der Medina verboten und die marokkanischen Moralvorstellungen wurden in Tanger durchgesetzt. Immerhin war es nun ja eine marokkanische Stadt. 

Das heutige Tanger hat den Blick fest in die Zukunft gerichtet, mit einem der größten und modernsten Häfen in Afrika und einer im Bau befindlichen Hochgeschwindigkeits - bahnstrecke nach Casablanca. Hinter den Kulissen kannst du jedoch immer noch Spuren der anrüchigeren Geschichte der Stadt entdecken.

Ein Reisebericht von Paul Clammer

Mittwoch, 13. September 2023

30 Jahre seit „Gorilla im Nebel“ - Eine Übersicht über Dian Fosseys Erbe

Starre einen Silberrücken zu lange an und du könntest Ärger heraufbeschwören; schätze seine Stimmung falsch ein und dein ehrfürchtiger Blick könnte als Kampfansage missverstanden werden. Aber jeder, der sich glücklich genug schätzen kann, einem Berggorilla in die Augen zu sehen – selbst wenn nur für ein paar Sekunden –, wird die mächtige Verbindung wahrnehmen, die wir mit diesen hochintelligenten und emotionalen Kreaturen teilen, mit denen wir 98 % unserer DNA gemeinsam haben.

Es ist schwer vorstellbar, dass diese Primaten vor 50 Jahren von Wilderern aus Wut und Verzweiflung getötet wurden und um einen Markt mit grotesken Kuriositäten wie Aschenbechern aus abgetrennten Gorillahänden zu bedienen. Nur 880 Berggorillas verbleiben in der Wildnis, aber ohne die Arbeit der Primatologin Dian Fossey wäre diese Zahl wahrscheinlich sehr viel geringer.

Die bei den Ruandern als Nyiramachabelli („die Frau, die alleine auf dem Berg lebt“), bekannte leidenschaftliche amerikanische Forscherin widmete ihr Leben der Erforschung und dem Schutz von Gorillas. Und obwohl sie ursprünglich gegen Gorilla - Tourismus war, ebnete ihre Arbeit den Weg für eines der erfolgreichsten Gemeinde -  und Naturschutzprojekte der heutigen Zeit.

Es ist über 30 Jahre her, seit der Film Gorillas im Nebel, der auf Dians Buch basiert, in den Kinos erschien. Dadurch erlangte ihre Geschichte weltweite Berühmtheit.

Ian Redmond, ein Naturschützer und einer der führenden Primatologen der Welt, arbeitete bis zu ihrem brutalen, unerklärlichen Tod im Jahr 1985 mit Dian zusammen und kannte sie sowohl als Freundin als auch als Kollegin. Mehr als jeder andere versteht er das wichtige Erbe, das sie hinterlassen hat.

Sie änderte unsere Denkweise über Gorillas

Vor Dians Arbeit wurden Gorillas schrecklich missverstanden, wie Ian erläutert: „Aufgrund von Darstellungen aus dem 19. Jahrhundert waren sie in der Öffentlichkeit bestens für ihr Verteidigungsverhalten beim Angriff von Jägern bekannt – dramatisch, mit Gebrüll und der Fähigkeit, einen Menschen mit nur einem Schlag zu töten. Dies führte zur ihrer Charakterisierung als „Monster“ in zahlreichen B - Movies und natürlich in „King Kong.“

Sie half den Ruandern dabei, den Wert ihrer Wildtiere zu erkennen

Als Dian im Volcanoes - Nationalpark ankam, waren die Wächter unterbezahlt und es fehlte ihnen an Ausbildung und Ausrüstung. Wilderei war weit verbreitet. Sie brachte vielen Mitarbeitern in ihrem abgelegenen Camp das Lesen und Schreiben bei und unterstützte auch ihre Familien. „Sie bezog gegenüber Regierungsbeamten und sogar dem Präsidenten Stellung und argumentierte erfolgreich gegen die Abholzung des Waldes Anfang der 1970er Jahre“, so Ian.

Ihre Gewöhnungsmethoden wurden für den Gorilla - Tourismus eingesetzt

Dians Forschungsmethoden konzentrierten sich darauf, das Vertrauen ihrer Gorillas zu gewinnen. Sie verbrachte Jahre damit, ihr Verhalten nachzuahmen, sogar laut schmatzend auf wildem Sellerie herumzukauen, genau wie sie es taten. Zwei ihrer Studenten, Bill Webber und Amy Vedder, nutzten genau die gleichen Methoden, um Gruppen von Gorillas an Besuche durch Touristen zu gewöhnen – obwohl Dian Außenstehende zunächst als Störung und Ärgernis empfand.

„Dian dachte nicht viel an Touristen!“, gibt Ian zu. „Obwohl sie schließlich öffentlich (bei ihrem Vortrag in den Räumen der Linnaean Society in London über die Veröffentlichung von „Gorillas im Nebel“) zugab, dass Tourismus, so wie er mit den nun standardmäßigen Sicherheitsvorkehrungen entwickelt wurde, eine positive Auswirkung auf den Erhalt des Parks hatte. Ich denke, sie wäre von dem Anstieg der Gorilla - Anzahl, der jährlichen Kwita - Izina - Zeremonie zur Namensgebung eines neugeborenen Gorillas und der Tatsache, dass ihr Lebenswerk weitergeführt und ausgebaut wurde, beeindruckt.“

Sie legte den Grundstein für weitere Schutzprojekte

„Die Nachfahren von Dians Studiengruppe werden immer noch überwacht“, so Ian. „Es wird neue Forschung zu verschiedenen Aspekten der Ökologie der Gorillas und ihres Lebensraums betrieben, einschließlich dazu, wie sie sich ändert und wie sie auf den Klimawandel reagieren könnte. Es war Glück, Dian als Mentorin zu haben, auch wenn sie keine einfache Vorgesetzte und dafür berühmt war, unbeherrscht und schlagfertig zu sein! Als ich mich ihr erstmals anschloss, warnte Dian mich vor der Isolation und den physischen Strapazen. Dann sagte sie zu mir: 'Die Gorillas sind die Belohnung und am Ende jedes Arbeitstags zählen nur ihr Vertrauen und Zutrauen‘.“

„Ihre Geschichte inspiriert weiterhin Menschen dazu, ihrem Traum zu folgen und sich insbesondere für den Schutz von Gorillas und von Wildtieren im Allgemeinen einzusetzen.“

Ein Reisebericht von Sarah Marshall

Dienstag, 12. September 2023

Die Philosophie von Ubuntu

Vom ersten Moment an, als ich das Café Ubuntu in Kenia betrat, war klar, dass dies ein Ort voller bedeutsamer Begegnungen und Menschen war. Dennoch war ich mehr als überrascht darüber, wie viel die Mitglieder dieser Organisation hier tatsächlich bewirken.

Das Wort Ubuntu beschreibt in Afrika ein Gefühl der Zusammengehörigkeit. Die allgemein akzeptierte Definition lautet in etwa „ich bin, weil wir sind“. Das Wort drückt das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Menschen aus und die Vision des Café Ubuntu spiegelt diese Einstellung perfekt wider.

Das Café Ubuntu, etwa eine Fahrstunde von Nairobi entfernt, hinterlässt sofort einen starken Eindruck bei Besuchern. Von den bemalten Wänden bis zum gepflegten Gelände ist ein Besuch hier ein Fest für die Sinne. Aus der Küche schweben betörende Düfte in den großen Raum, wo hier hergestellte Handarbeiten präsentiert werden. Fleisch brutzelt in Pfannen, der Pizzaofen brummt und die Kaffeemaschine dampft – kurzum, das gesamte Café vermittelt den Eindruck eines lebenden Organismus.

Bei unserer Ankunft im Café Ubuntu führte uns die stellvertretende Leiterin Ruby Ruth durch Küche und Café und ließ uns unseren ersten Gang kosten: Eine Zucchinisuppe. Sie war köstlich, aber wie Ruby Ruth betonte: „[Wenn wir] Besucher hier [herbringen], geht es nicht nur ums Essen.“

Wir traten in die Fußstapfen der Reisenden, die vor uns bereits hier waren, und besichtigten das Gelände und den Ubuntu Made Workshop, wo etwa 20 Frauen, die meisten Mütter von behinderten Kindern, Handarbeitsstücke herstellen, die hier vor Ort und in aller Welt verkauft werden. 

Das wirklich Besondere an Ubuntu sind die Frauen, die hier arbeiten. Als nächstes stand bei unserem Besuch ein Gespräch mit drei von ihnen auf dem Programm. Josephine, Beatrice und Esther arbeiten alle bereits seit mindestens sechs Jahren bei Ubuntu und ihre Familien profitierten von der von Ubuntu finanzierten Schule für Kinder mit Behinderungen. Die Einnahmen, die dieses gemeinnützige Projekt durch den Cafébetrieb und den Verkauf von Handwerk generiert, kommen nicht nur den Frauen selbst zugute, sondern auch einer Schule in der Gemeinde mit einem Sonderschullehrer und einem Beschäftigungstherapeuten. 

Bei unserem Gespräch mit den Damen wurde uns schnell klar, welch große Auswirkung die Schule und ihre Arbeit bei Ubuntu auf ihr Leben hatten. Beatrice erzählte, dass sie sich mithilfe von Ubuntu Fähigkeiten aneignen konnte, die sie zuvor nicht besessen hatte. Trotz der Schwierigkeiten und Hindernisse, mit denen sie zu kämpfen hatte, fühlt sie sich durch ihre neuen Aufgaben ermächtigt.

„Schon im ersten Monat meiner Ausbildung zählte meine Arbeit zur besten in unserem Team“, sagte sie. „Das hat mich dazu motiviert, diese Fähigkeit weiter zu nutzen, da ich damit ein Einkommen verdienen konnte, mit dem ich meinen Mann und meine Familie unterstützen konnte“. Beatrice setzte sich hohe Ziele, hat sich hochgearbeitet und ist heute als Assistentin im Betrieb hauptsächlich für die Lagerverwaltung verantwortlich.

Beatrice war nicht die Einzige, die mit großer Leidenschaft die berufliche Entwicklung beschrieb, die sie dank ihrer Arbeit in diesem gemeinnützigen Unternehmen vollzogen hatte. Die anderen Frauen hatten ähnliche Erfolgsgeschichten zu berichten. 

„Ubuntu hat mir so viel Gutes gebracht“, sagte Josephine. „Nach einiger Zeit in der Ubuntu - Schule machte meine Tochter einen Leistungstest und wurde für die Teilnahme am regulären Schulbetrieb zugelassen. Dank Ubuntu kann ich mit meiner Arbeit ihr Schulgeld bezahlen.”

Esther, die ebenfalls seit 2008 in der Kooperative tätig ist, erzählte, dass die Ausbildung bei Ubuntu ihr geholfen hat, als sie während der gewalttätigen Auseinandersetzungen rund um die Wahl in Kenia aus ihrer Heimat vertrieben wurde. „Ich kann meinen Lebensunterhalt verdienen und bei meiner Familie sein“, erklärt Esther. „Ich konnte ein Stück Land kaufen und habe ein Haus dort gebaut.“

Es war ein unglaubliches Erlebnis, das Zentrum zu besichtigen und mit den Mitarbeiterinnen zu sprechen. Danach konnten wir auch noch ein vor Ort gemachtes Essen genießen. Ich fühlte mich unglaublich glücklich, ein solch bedeutsames Gespräch mit einigen Mitgliedern der Kooperative geführt zu haben. Dieser Besuch bei Ubuntu war meine erste Vor - Ort - Besichtigung als neues Mitglied des Planeterra - Teams, und obwohl ich zuvor schon einige Zeit in Afrika gelebt habe, waren die Begegnung mit diesen Frauen und der Besuch im Café und der Werkstatt ein unvergessliches Erlebnis für mich.

Ein Reisebericht von Alanna Wallace

Montag, 11. September 2023

5 fantastische Fakten über die Selous Game Reserve in Tansania

Es ist vielleicht nicht so berühmt wie der Krüger - Nationalpark, aber Selous ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Hier sind fünf faszinierende Fakten über dieses Wildreservat in Tansania:

1. Es ist riesig

Selous wurde 1922 ins Leben gerufen und ist das älteste Wildreservat in Afrika und mit einer Fläche von 50.000 km² auch das größte. Damit ist Selous nicht nur größer als viele andere Naturschutzgebiete, wie der benachbarte Serengeti - Nationalpark oder der Kruger - Nationalpark in Südafrika, sondern auch als Länder wie die Schweiz, Dänemark oder Bhutan.

2. Es ist nicht viel los

Trotz seiner gigantischen Größe ist Selous aufgrund seiner abgelegenen Lage im Süden Tansanias das am wenigsten besuchte Naturschutzgebiet in Afrika. Dass es sich anfühlt wie ein verstecktes Juwel liegt auch daran, dass nur ein kleiner Teil, nämlich das nördliche Selous über dem Fluss Rufiji (etwa 8 % der Gesamtfläche), überhaupt für Besucher zugänglich ist.

3. Du kannst den Tieren hier ganz besonders nahe kommen

Selous ist kein Nationalpark, und obwohl es bestimmte Regeln gibt – so dürfen etwa nach Sonnenuntergang keine Busse fahren – können Besucher hier mehr machen als zum Beispiel im berühmteren Serengeti - Nationalpark. So kannst du etwa auch mal querfeldein fahren, um die zahlreichen Löwenrudel im Reservat aus der Nähe zu betrachten.

4. Du kannst hier ganz leicht spektakuläre Safarifotos schießen

Das Selous - Wildreservat umfasst mehrere verschiedene Ökosysteme und Schätzungen der UNESCO zufolge wachsen über 2.000 Pflanzenarten in dem Park. Diese ziehen natürlich auch jede Menge Tiere an, daher findest du im Reservat „beträchtliche Mengen“ an Elefanten, Geparden, Flusspferden, Krokodilen und Spitzmaulnashörnern, möglicherweise die letzte verbliebene Population dieser Nashörner in Tansania. Dem tansanischen Tourismusverband zufolge gibt es in Tansania mehr wilde Tiere pro Quadratkilometer als in jedem anderen Land in Afrika, was nicht zuletzt Selous zu verdanken ist. Beispiel gefällig? Es gibt hier so viele Giraffen, dass das Reservat mittlerweile scherzhaft auch „Giraffic Park“ genannt wird.

5. Selous wird „Seloo“ ausgesprochen

So hat der Namensgeber des Parks, Frederick Courteney Selous, seinen Namen ausgesprochen. Selous war ein britischer Abenteurer, Jäger und Naturschützer, der jahrzehntelang das südliche Zentralafrika erforscht hat und dabei so berühmt wurde, dass er dem Schriftsteller R. Rider Haggard als Inspiration für seinen berühmten Helden Allan Quatermain diente. Selous wurde im Ersten Weltkrieg 1917 nahe dem Beho - Beho - Camp von einem deutschen Scharfschützen getötet und ganz in der Nähe begraben. Fünf Jahre später haben britische Kolonisten mehrere bestehende Naturschutzgebiete zu einem riesigen Reservat zusammengefasst und dieses nach ihrem Landsmann benannt.

Ein Reisebericht von Stacy Lee Kong

Sonntag, 10. September 2023

Die Geschichte von Kolmannskuppe, der Geisterstadt in der Wüste Namib

Ein Goldfund in Kalifornien im Jahr 1849 verwandelte das Dorf San Francisco in eine Weltstadt. Fünfzig Jahre später sorgte die weltweite Nachfrage nach Kautschuk dafür, dass tief im Amazonas - Dschungel Opernhäuser gebaut wurden und das obskure brasilianische Örtchen Manaus die reichste Stadt in Südamerika wurde. Aber was passiert, wenn ein Boom endet? Welche Geister bleiben zurück, um von der einstigen Pracht zu erzählen? Eine Reise nach Kolmannskuppe in Namibia liefert einige gespenstische Antworten auf diese Fragen.

Als Zacharias Lewala 1908 etwas im Sand glitzern sah, wurde Namibia (damals die Kolonie Deutsch - Südwestafrika) praktisch über Nacht wirtschaftlich bedeutsam. Lewala war über ein Millionen Jahre altes Diamantenfeld gestolpert, dessen Edelsteine vom Oranje ans Meer gespült und von der Brandung an die namibische Küste geworfen worden waren.

Innerhalb von 10 Jahren hatten Schürfer Kolmannskuppe – eine so entlegene Ortschaft, dass sie nach einem Mann benannt ist, der seinen Wagen einst dort in einem Sandsturm zurückgelassen hatte – in die reichste Boomtown des Kontinents verwandelt; jeder fünfte Diamant weltweit kam damals aus Kolmannskuppe.

Mit dem Wohlstand – und der Zuwanderung, vor allem aus Deutschland – kam auch der Wunsch, die von zuhause gewohnten Annehmlichkeiten auch hier zu genießen und Kolmannskuppe wurde ein bizarres Stück Deutschland mitten in der namibischen Wüste. Hübsche Holzhäuser wurden errichtet, deren Gärten mit Wasser aus einem neu angelegten Wasserspeicher gegossen wurden. Für die Kinder der Zuwanderer wurde eine Schule gebaut. Im örtlichen Theater spielte ein Orchester an Wochenenden zum Tanz auf, während schicke Damen ihre neuesten Outfits ausführten. Es gab eine Straßenbahn und ein Krankenhaus, das angeblich den ersten Röntgenapparat im südlichen Afrika besaß (und dessen Chefarzt darauf bestand, dass seine Patienten für ihre Gesundheit täglich eine rohe Zwiebel aßen).

Es stellte sich jedoch heraus, dass sich der Reichtum von Diamanten ebenso schnell verflüchtigen kann wie eine Fata Morgana in der Namib - Wüste. Ob Lewala, der afrikanische Entdecker der Diamantenfelder in Kolmannskuppe, jemals reich geworden ist, ist nicht überliefert. August Stauch, der größte Investor der Stadt, verlor jedenfalls sein gesamtes Vermögen im Zuge der Großen Depression und als er 1947 in Deutschland an Krebs starb, gingen die Diamantenvorräte in Kolmannskuppe bereits zur Neige und die Spekulanten wandten sich einem neuen Edelsteinfund nahe der südafrikanischen Grenze zu. 1954 spielte das Theaterorchester von Kolmannskuppe seine letzte Vorstellung vor einem Rumpfpublikum. Dann wurden die Instrumente eingepackt und die Stadt den Elementen überlassen.

Sand und Wind leisteten schnell ganze Arbeit. Verwehungen und Dünen umhüllten die Gebäude und ließen nichts außer verfallenen Ruinen zurück. Diese Häuser heute zu besichtigen, ist ein gespenstisches Erlebnis – als hätte jemand versehentlich die Tür offengelassen, durch die der Sand hereingeweht wurde. Halb erwartet man eine langsam kalt werdende Tasse Kaffee am Tisch stehen zu sehen. Einige Gebäude wurden von der Bergbaugesellschaft, der die Stadt immer noch gehört, teilweise renoviert, aber die meisten wurden dem Verfall überlassen. Die Zimmer sind voller Sand und die Dünen reichen oft bis an die Decke. 

Falls du jemals die Namib - Wüste besuchen solltest, denk daran, nach etwas Glitzerndem im Sand Ausschau zu halten. Man weiß nie, welches Vermögen sich dahinter verbergen könnte, wie flüchtig es auch sein mag.

Ein Reisebericht von Paul Clammer