Schnell zum Flughafen, schnell ein Flieger nach Ulaanbaatar, schnell in die Berge, schnell die Wanderwege auskundschaften und schnell wieder nach Hause.
Das war der Plan für meine Dienstreise in die Mongolei.
Was ich aber gleich in der Mongolei bemerkte: Das Wort „schnell“ gibt es wohl im Mongolischen nicht. Oder es gibt es vielleicht schon aber es ist eeeetwaaaaas dehnbarer als bei uns. Es heißt in etwa „so schnell, wie es die äußeren Umstände erlauben“. Ich würde es eher mit „Nimm’s gelassen, es wird schon klappen“. Oder vielleicht mit: „Eile mit Weile“.
Zu dieser Erkenntnis kam ich aber erst nach ein paar Tagen. Zunächst bin ich davon ausgegangen, dass der Begriff „schnell“ ein zu eins ins Mongolische übersetzbar ist.
Was mir in den nächsten Tagen einige Kopfzerbrechen bereiten sollte. Aber alles der Reihe nach.
Ich sah mir zuerst Ulaanbaatar an. Alles lief nach Plan: Schnell von A nach B und von B nach C, kurze Besichtigung, ein Paar Fotos und dann gleich weiter.
Am nächsten Morgen flogen wir nach Ulaangoom und stiegen gleich in einen russischen UAZ 452. Dann fuhren wir schnell los, um… gleich am nächsten Heiligen Steinschrein anzuhalten.
Wir stiegen aus, umrundeten den Steinschrein, legten zwei Dutzend Steine dazu. Meine Begleiter Otgo – eine zierliche, sportliche Mongolin, die in Berlin studierte und Sukhee, ein Bär von einem Mann, der für uns kochen sollte, gingen noch einmal um den Schrein herum und murmelten dabei geheimnisvolle Formeln.
Und noch einmal und noch einmal.
Es sei wichtig, versicherten sie während ich auf die Uhr schaute, damit Götter unserer Reise gegenüber positiv eingestellt seien.
Nach einer Weile fuhren wir weiter. Bis zum Heiligen Bogen. Und wieder steigen wir aus. Meine Begleiter gingen um den Bogen herum und murmelten dabei geheimnisvolle Formeln.
Und noch einmal und noch einmal.
Es sei wichtig, die Götter auf der anderen Seite des Bogens zu besänftigen. Denn mit der Überschreitung des Bogens seien für uns andere Götter zuständig erklärten sie, während ich auf die Uhr schaute.
Nach einer weiteren Weile fuhren wir weiter. Die Schotterpiste schraubte sich steil in die Höhe, bis wir einen – wohl wieder – Heiligen Pass erreichten. Wir stiegen aus, denn – das war doch klar – jenseits des Passes wieder andere Götter für uns zuständig waren…
Ich schaute nervös auf die Uhr, denn es ist mittlerweile spät geworden.
Nun fuhren wir eine wilde Sandpiste runter, doch für den alten guten UAZ war das ein Kinderspiel.
Dann aber windete sich die Piste zum nächsten Pass hinauf und plötzlich dampfte und gluckerte etwas verdächtig in der Fahrerkabine.
Es war der Heilige Kühler, der wohl auf die ganzen Beschwörungen unterwegs nicht hörte…
Das Wasser kochte vor sich hin, ich schaute resigniert auf die Uhr und.. widmete mich lieber der Landschaft drum herum…
Irgendwann am späten Abend – zum Glück waren die Junitage sehr lang – erreichten wir unser Camp.
Das Küchenzelt wurde aufgestellt; ich hatte schon einen höllischen Hunger… Ich fragte, was es zum Essen gibt und Sukhee zeigte auf eine Kiste in der Zeltecke…
Eier und Fleisch… Als Sukhee meinen Gesichtsausdruck sah, lachte er wild los und schob den Fleischberg zur Seite…
Broccoli, Tomaten und Paprika – der Abend war gerettet! Und Sukhee erwies sich als ein ausgezeichneter Koch!
So saß ich gleich mit meiner Gemüseschale auf einer Tischseite, Sukhee und unser Fahrer mir gegenüber und schabten genüsslich das Fleisch von den Knochen… Nach einem harten Tag Arbeit haben sie sich das verdient, dachte ich und versprach mir, ihnen nicht mit meiner Uhr auf den Wecker zu gehen…
Der letztere erwies sich übrigens als überflüssig, denn gleich nach dem Sonnenaufgang hörte ich ein schrilles Pfeifen und Schnaufen. Ich machte mein Zelt auf und… ein Kamel mit zerzausten Kopfhaaren schielte mich neugierig an. „Steh auf, wir müssen los“ schien er zu sagen, „und übrigens: hast du zufällig einen Kamm zur Hand?“
Unsere Pferde allerdings hatten wohl nicht ganz so eilig…
Wir schulterten unsere Rucksäcke und zogen endlich los, durch eine traumhafte Berglandschaft des Turgen-Gebirges, vier Tage lang ohne UAZ und dampfenden Kühler…
Sukhee erwies sich nicht nur als ein ausgezeichneter Koch, sondern auch als ein ausdauernder Wanderer….,mit dem, wir die letzten weißen Flecken auf der Trekking-Karte der Mongolei erforschten.
Otgo dagegen kannte hier in der Wildnis jeden einzelnen Stein. Und Baum.
Auch die Pferde wurden irgendwann dazu überredet (ja, die Mongolen sind di ebesten Pferdeflüsterer!), sich doch noch auf den Weg zu machen. Und die brauchten wir dringend, denn ohne ihre Hilfe hätten wir keinen der zahlreichen Flüsse überqueren können.
Die Uhr habe ich längst vergessen, wir liefen und liefen und genossen die herrliche Steppenlandschaft. Mittags hielten wir an; meine Begleiter freuten sich auf ihren Fleisch-; für mich gab es einen Gemüseteller…
Irgendwann erreichten wir das idyllische Chigaachin-Tal. Hier gab es weder Uhren noch Spielkonsolen; die Kinder liefen in ihrer Freizeit einfach den Yaks hinterher…
Hier wartete auf uns schon unser UAZ. Schade! Nachdem ich die die Uhr und den Kalender vergaß, wäre ich mit unserem Team noch eine weitere Woche mitgelaufen! Stattdessen nahmen wir Abschied von unserem Trekkingteam…und reisten mit Otogo und Sukhee zum Khar-See.
Dieser liegt zwischen traumhaftschönen Sanddünen und sanften Hügeln und bietet hervorragende Wandermöglichkeiten. Die Landschaft ist hier einfach herrlich und wir hatten die Dünen nur für uns allein.
Am nächsten Tag stieg ich noch alleine zu einem Aussichtsberg…und genoss ein herrliches Panorama über dem Khar-See.
Ich dachte ich wäre hier allein am Berg…
Ich wanderte dann zurück ins Camp, wo mich Otgo und Sukhee schon mit einem Mittagessen erwarteten. Das Ger-Camp bestand aus sechs Gers (Jurten), die eine komfortable Übernachtung boten.
Ich hatte in meinem Ger sogar ein Kingsize-Doppelbett 🙂
Nun hieß es Abschied nehmen vom Khar-See und von den Bergen. Aber auch von Otgo…und von Sukhee…
An Dutzenden Heiligen Steinschreinen, Pässen vorbei und mit unseren dampfendem Heiligen Kühler fuhren wir nach Ulaanbaator zurück. Ohne auf die Uhr zu schauen.
Wir verabredeten uns zum unseren letzten gemeinsamen Abendessen, ich ohne die Uhr, sie ohne Fleisch… In einem veganen Restaurant – was für eine Aufopferung für einen echten Mongolen 🙂
Ein Reisebericht von Darek Wylezol