Wenn ich Freunden erzählte, dass ich eine Japanreise machen werde, war ihre erste Frage meist, ob ich die Thunfisch - Auktion auf dem Tsukiji - Fischmarkt in Tokio besuchen würde. Im Anschluss fragten sie mich, ob ich im Restaurant von Jiro essen würde, der in Japan bereits ein bekannter Mann war und durch den Dokumentarfilm Jiro Dreams of Sushi weltweit berühmt wurde.
Ich habe Tsukiji besucht, aber nicht die Thunfisch - Auktion. Während ich den Markt erkundete, hatte ich das Glück, den Schwiegersohn eines Ausstellers kennenzulernen, der ein wenig Englisch sprach. Zusammen mit seinen Eltern, die ebenfalls zu Besuch waren, nahm er mich unter seine Fittiche und führte mich durch das Chaos. Wir spazierten durch die feuchten, mit Fisch gefüllten Gänge und endeten schließlich bei einem Sashimi - Restaurant.
Bei meiner Abreise aus Tokio habe ich mir gewünscht, wir hätten mehr Zeit in Tsukiji gehabt, denn ich liebe nichts mehr als einen Markt zu besuchen und neue Eindrücke und Speisen kennenzulernen – besonders mit spontanen einheimischen Guides wie den beiden unten.
Glücklicherweise führte die Reise weiter nach Kanazawa, wo mich frische Köstlichkeiten und ein weiterer Fischmarkt erwarteten.
Kanazawa wurde im späten 16. Jahrhundert als Burgstadt gegründet und blieb von Naturkatastrophen und den Verwüstungen des Zweiten Weltkriegs verschont. Einst war es eine mächtige und strategisch wichtige Stadt für den Maeda-Klan, doch in der Meiji-Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts fiel Kanazawa hinter den Rest des Landes zurück und wurde im Gegensatz zu anderen japanischen Metropolen nie voll industrialisiert.
Kanazawa liegt zwischen dem Japanischen Meer und den Japanischen Alpen in einem Klima mit einer ausgeprägten Regenzeit. Aufgrund der Niederschläge, der Berge und der nährstoffreichen vulkanischen Erde bringt das Land einige ganz besondere Lebensmittel hervor, darunter der begehrte und mit Mineralwasser vom Berg Hakusan bewässerte Koshihikari - Reis, frischen Fisch und Meeresfrüchte je nach Saison sowie eine große Bandbreite an Gemüse.
Viele dieser Lebensmittel gibt es auf dem belebten und bunten Omicho - Markt zu kaufen, auf dem es vor Händlern nur so wimmelt und der erfüllt ist von dem Geist, den ich so liebe. Das ich Kanazawa so genossen hab, lag nicht zuletzt an den vielen Stunden, die ich auf dem Omicho - Markt damit verbracht habe, das Angebot zu verkosten, mir Obst schmecken zu lassen und die Händler bei ihrer Arbeit zu beobachten. Fisch konnte man hier nicht nur für Zuhause kaufen, sondern auch direkt an Ort und Stelle verzehren – rohe Austern, gegrillte Jakobsmuscheln, Seeigel, Garnelen und noch vieles mehr wurden serviert.
Neben diesen natürlichen Reichtümern hat die Stadt auch eine interessante Vergangenheit. Während der Edo - Zeit (1604 - 1868) war dies die reichste Region des Landes außerhalb des Tokugawa - Shogunats und hatte Zugang zu den Produkten von Hokkaido, da es am Handelsweg zwischen Hokkaido und Osaka lag. Handwerk, Blattgoldproduktion und Kunst in der Stadt florierten, was sich auch nach dem Ende der Edo - Zeit fortsetzte. 2009 ernannte die UNESCO Kanazawa zur Stadt des Handwerks und der Volkskunst.
Es gibt in der Stadt auch den Garten Kenroku - En, eine der größten Touristenattraktionen der Stadt und einer der drei besten Gärten Japans. Nichtsdestotrotz – und bei allem Respekt für diesen wunderschönen Garten – hat mich der Ninja - Tempel der Stadt mehr begeistert.
Der Myoryuji - Tempel, auch Ninja - dera genannt, wurde von den Maeda 1585 zunächst als traditioneller Tempel errichtet. 1643 wurde er versetzt und befestigt, um die Bewohner vor Eindringlingen aus dem Tokugawa - Shogunat zu schützen. Zwar waren hier wohl nie echte Ninjas untergebracht (man wird ja wohl noch träumen dürfen), dennoch wird er aufgrund seiner unglaublich listigen Konstruktion Nina - Tempel genannt.
Hier gibt es falsche Opferstöcke, Treppen mit dünnen Setzstufen, durch die man Eindringlinge in die Füße stechen kann, drehbare Mauern, die sich in Fallen verwandeln, ein „Zwischengeschoss“ und ein „Zwischen - Zwischengeschoss“, um die tatsächliche Höhe des Gebäudes zu verbergen, Tunnel, Geheimräume, 29 Treppenhäuser und noch vieles mehr. Angeblich gibt es auch eine direkte Verbindung zur Burg Kanazawa. In jedem Fall ist der Ninja - dera eines der interessantesten Gebäude, die ich in Japan gesehen habe.
Das geheimnisvolle Flair des Ortes wurde noch verstärkt durch die Tatsache, dass die Führung auf Japanisch stattfand und unsere Gruppe nur mit einem englischsprachigen Buch bewaffnet dem Guide zu folgen versuchte. Im Gänsemarsch gingen wir Treppen hoch und runter, an Falltüren vorbei und entdeckten, was man alles in den Wänden und Böden eines unscheinbar wirkenden Gebäudes verstecken kann.
Der Samurai - und der Geisha - (Chaya) - Bezirk waren eine nette Abwechslung zu den Metallbrücken und Stahlbauten des Geschäftsviertels und gaben unserer Gruppe die Gelegenheit, einen ganzen Nachmittag lang ziellos durch Seitenstraßen und krumme Gassen zu schlendern, um alle Sehenswürdigkeiten zu finden. Und mit „ziellos schlendern“ meine ich, dass wir keine Ahnung hatten, wo’s langging.
Am späten Nachmittag haben wir es dann schließlich doch noch in den gut erhaltenen Higashi Chayagai (Östlichen Chaya - Bezirk) geschafft. Mit seinen grau gepflasterten Straßen und braunen Holzhäusern fühlte es sich wie eine andere Welt an im Vergleich zum Markt vom Vormittag.
Kanazawa war die einzige Stadt auf der „Japan“ - Reise, die ich noch gar nicht gekannt hatte, und sie wurde während meiner Reise zu einem meiner Lieblingsorte in Japan. Die Stadt ist sehr beliebt bei japanischen Touristen, allerdings sah ich nur wenige ausländische Besucher, und bei einer völlig unrepräsentativen Umfrage unter meinen Freunden haben nur drei überhaupt schon mal von ihr gehört gehabt. Daher wollte ich hier mal nicht die Pracht des Fuji oder das Chaos von Tokio in den Vordergrund rücken, sondern diesen Geheimtipp mit seinem faszinierenden Markt und seinem köstlichen Essen.
Weitere Sehenswürdigkeiten:
Wir hatten nur einen freien Nachmittag in Kanazawa und mussten daher einige harte Entscheidungen darüber treffen, was wir essen und sehen wollten. Für alle mit mehr Zeit habe ich hier noch weitere Vorschläge. Das D.T. Suzuki - Museum. Das Suzuki - Museum wurde von Yoshio Taniguchi entworfen, der auch das MoMA in New York City neu gestaltet hat. Es ist Daisetsu Teitaro Suzuki gewidmet, einem buddhistischen Philosophen, der großen Anteil daran hatte, dass der Zen - Buddhismus im Westen bekannt wurde. Das Museum ist eine Hommage an Suzuki und den Zen - Buddhismus und seine perfekte Architektur macht es zu einem der friedlichsten Orte der Stadt.
Das 21st Century Museum of Modern Art. Das erklärte Ziel dieses Museums ist es, die Region mit der Zukunft der Kunst zu verbinden, indem reiche und vielfältige moderne Kunst gezeigt wird, die Genregrenzen ebenso überwindet wie die Grenzen von Raum und Zeit. Es ist wie ein UFO geformt, hat riesige Glaswände und eine schwindelerregende Anzahl an praktischen Experimenten. Hier kann man gut ein paar Stunden verbringen, vor allem während einem der für Kanazawa typischen Regenschauer.
Zwei Restauranttipps in Kanazawa für alle Sushi - Liebhaber: Mit großem Budget: Der Sushi - Meister im Otomezushi ist Kazuhiko Tsurumi, der „Jiro von Kanazawa“ – was für viele schon Grund genug ist, um dem Restaurant einen Besuch abzustatten. Alle, die sorgfältig zubereitetes und kunstvoll präsentiertes Sushi lieben, sollten Omakase (Empfehlung des Küchenchefs) im Otomezushi (4 - 10 Kiguramachi, Kanazawa) probieren. Weitere begeisterte Kritiken gibt es hier.
Mit kleinerem Budget: Hier gibt es keine Tische, sondern nur eine lange Sushi - Theke und jede Menge köstliche frische Fischgerichte zu leistbaren Preisen. Eine gute Wahl für alle, die einfache, aber frische Speisen genießen wollen, ohne ein Loch in ihr Reisebudget zu sprengen (1 - 5 - 29, Katamachi, Kanazawa,).
Ein Reisebericht von Jodi Ettenberg