Der Dschungel hier ist echt. Ein dichtes grünes Geflecht aus scheinbar undurchdringlichen Palmen, Gebüsch und Kletterpflanzen, die über einem engen, schlammigen, von knarrenden Baumwurzeln durchzogenen Pfad baumeln. Voraus befindet sich ein klaffendes Loch, das einen Berghang hinaufführt und groß genug ist, um einen aufrecht stehenden Wolkenkratzer mit 30 Etagen unterzubringen. Im Inneren wachsen lindgrüne Farnpflanzen an über Hunderte und Hunderttausende von Jahren hinweg entstandenen terrassenförmigen Formationen. Und daran vorbei, führt der sandige Pfad in einen riesigen Hohlraum. Weiterzugehen fühlt sich fast so an, als würde man das Weltall betreten.
Das ist Vietnam?
Ja. Genauer gesagt ist es das neue Vietnam. Tatsächlich war die Provinz Quảng Bình, etwas nördlich von Hue im Zentrum von Vietnam gelegen, noch vor 10 Jahren ein selten aufleuchtender Punkt auf dem Radar von Reisenden. Jetzt ist es das schnell aufstrebende Reiseziel in Südostasien.
Die Gegend ist atemberaubend, aber der Grund, warum die Leute herkommen, sind die Höhlen. Sie sind wunderschön – und richtig groß.
Der Nationalpark Phong Nha - Kẻ Bàn und das nahegelegene Tú - Làn - System (beide UNESCO - geschützt) beheimaten die größten, dritt - und viertgrößten Höhlen der Welt. Dutzende sind für Besucher zugänglich, und jedes Jahr werden weitere neu geöffnet (nur 35 % der Gegend wurden bis lang erforscht). Dass es in der neuen Welthauptstadt der Höhlen so viele davon gibt, liegt an der zuverlässigen Kombination aus starken Regenfällen und reinem Kalkstein aus einer Zeit vor 450 Millionen Jahren. Plus ein paar Millionen Jahre.
„Es ist die perfekte Geologie für Höhlen“, so Howard Limbert, ein britischer Höhlenexperte, der die Gegend seit 1992 erkundet und dafür verantwortlich ist, dass viele Höhlen mit Oxalis Cave Tours für den Tourismus geöffnet wurden. „Wir wussten es sofort. Das ist die weltweit beste Gegend für Höhlen. Sie sind einfach unglaublich riesig. Wir waren verblüfft.“
Viele Außenseiter kennen die Sơn - Đoòng - Höhle, die größte der Welt, tatsächlich gibt sie sich aber als so etwas wie der „Mount Everest“ im Vergleich zu einer Vielzahl von weniger strapaziösen, gleichermaßen lohnenswerten Optionen von Höhlen im Himalaya aus. Einige sind mit dem Motorrad oder Boot erreichbar und haben beleuchtete Formationen und Gehwege zu bieten. Wildere, oft größere, mit unterirdischen Flüssen zum Schwimmen oder Campingplätzen im Inneren sind nach strapaziösen Dschungelwanderungen erreichbar.
Hier erfährst du, wie du deinen Trip planen kannst, aufgeschlüsselt nach den Arten von Höhlen.
Do - it - yourself - Höhlen
Die einfachste Methode, einige der geologischen, unterirdischen Wunder von Quảng Bình zu sehen, ist mehr oder weniger auf eigene Faust oder auch im Rahmen von organisierten Touren möglich.
Die Paradieshöhle bzw. Thiên Đường erreicht man von der Ortschaft aus nach einer Strecke von rund 14,5 km in den Nationalpark. Vom Eingangsbereich aus, wo sich Dutzende von gastronomischen Einrichtungen befinden, kann man 15 Minuten wandern oder einen Golfwagen nehmen, um den Steg zu erreichen, der im Zickzack einen von Dschungel bewachsenen Berghang hinaufführt. Oben führen Stufen durch eine schmale Öffnung in die Felsen und hinunter in die sage und schreibe 29 km umfassenden Höhlen. Gehwege bieten Zugang zu etwa 1,2 km (einige Touren führen noch tiefer hinein), wo du eine überwältigende Menge von riesigen, beleuchteten Stalaktiten und Stalagmiten sehen kannst.
Um die (meisten) Tourbusse zu vermeiden, empfiehlt es sich, zum Zeitpunkt der Öffnung um 07:00 Uhr morgens dort zu sein. Der Eintritt kostet 250.000 VND (etwa 10 EUR), die Rückfahrt im Golfwagen kostet 100.000 VND (etwa 4 EUR).
Bei der ebenfalls im Nationalpark liegenden Dark Cave (die aufgrund des fehlenden künstlichen Lichts so benannt ist) geht es mehr um das schiere Abenteuer als um ihre Geologie. Nachdem man die Eintrittsgebühr in Höhe von 450.000 VND (bzw. rund 20 EUR) bezahlt hat, wird man von einem Tourguide begleitet. Man erreicht die Höhle mittels einer über den Fluss führenden Zipline und einer kurzen Schwimmstrecke im Anschluss. Im Inneren passiert man an eine Reihe von natürlichen Becken und Kalkformationen, über die ein schmaler, schlammiger Höhlengang führt, in dem man bis zum Nacken einsinkt, bevor es auf eine kurze Kajakfahrt geht und du von der Zipline in den Fluss springst.
Die Phong - Nha - Höhle, die größte „nasse Höhle“ der Welt, ist am einfachsten zu besuchen, da „Drachenboote“ direkt vom Markt im Ort Phong Nha ins Innere fahren. Sie wurde von Einheimischen für mehr als ein Jahrhundert genutzt – und diente während des Vietnamkriegs als Krankenhaus – und wurde 1995 zur ersten Höhlenattraktion für Besucher.
Selbstgeführte Touren durch ihre dramatischen, beleuchteten Formationen decken nur einen Teil der rund 8 km umfassenden Höhle ab, es gibt aber auch organisierte Touren, die noch tiefer führen. Das Boot kostet 360.000 VND (rund 15 EUR) für bis zu ein Dutzend Personen; der individuelle Eintrittspreis zur Höhle beträgt weitere 150.000 VND (rund 6 EUR).
Tagestouren
Für etwa 65 EUR pro Person ist eine Tagestour die ideale Möglichkeit zur Höhlenerkundung für diejenigen, die tiefer gehen und die Höhlen in ihrem Naturzustand sehen, aber dennoch abends wieder zurück in ihrer Unterkunft sein möchten, um zu duschen und zu Abend zu essen.
Auf der Wanderung zur Elefantenhöhle und durchs Tal Ma Da erwartet dich von allem ein bisschen. Du wirst mit einem Transportfahrzeug sowjetischer Herstellung aus dem Vietnamkrieg an deiner Unterkunft abgeholt und fährst über die alte Ho Chi Minh Road, um deine Wanderung im (und hinauf den) dichten Dschungelwald zu starten. Es ist eine kurze Wanderung einen steilen Pfad voller Kletterpflanzen hinauf bis zur Öffnung der Elefantenhöhle. Im Inneren findet man Relikte, die von nordvietnamesischen Soldaten zurückgelassen wurden, die sich hier im Krieg versteckten –, und eine kurze, dunkle Wanderung führt an riesigen Formationen vorbei bis zum gähnenden Ausgang der Höhle.
Anschließend führt die Wanderung durch das Tal Ma Da, wo du knietief durchs Wasser watest und Stegbrücken überquerst, um einen klaren Fluss zu durchkreuzen, bis du ein Badeloch mit einer Klippe erreichst, wo du eine Runde schwimmen und ein Mittagessen genießen kannst. Die Wanderung wird dann deutlich anspruchsvoller und es folgen ein steiler Anstieg und Abstieg über ein Wirrwarr aus faszinierenden Kalksteinfelsbrocken, um die „nasse Höhle“ Tra Ang zu erreichen. Hier ziehst du dir eine Rettungsweste an und eine Stirnlampe auf und schwimmst mehrere Hundert Meter in der Dunkelheit, während über dir gelegentlich Fledermäuse quietschen.
Eine richtig große Höhle bekommt man auf dem großartigen Hang Tien Trek zu sehen, auf dem man einen Eindruck vom Tú - Làn - Höhlensystem bekommt, das eine Fahrstunde in nördlicher Richtung entfernt liegt. Du beginnst damit, auf Flughunde in den Baumkronen zu lauschen, während du einen steilen Abstieg auf einem schlammigen Pfad bis zum klaffenden Eingang der Höhle bewältigst, die sich über Hunderte von Metern nach oben erstreckt. Lindgrünes Moos wächst an terrassenförmigen Kalksteinformationen, die sich im Laufe von Hundertausenden von Jahren, wenn nicht mehr, gebildet haben. Voraus, ein Abgrund.
Die Decke der Höhle hier ist wenige Hundert Meter hoch. Der Weg unterhalb davon führt an einer Reihe von surrealen, hoch aufragender Formationen vorbei – von denen eine wie eine riesige, aufgerollte Schlange aussieht. Oben kann man eine Kerbe sehen, die durch einen Strudel von einem durch Regenwasser gespeisten Fluss geschaffen wurde, der diesen riesigen Raum jeden Herbst füllt. Du wanderst zurück, hältst zum Mittagessen an einem Badeloch und kletterst dann hinauf zurück aus dem Dschungel – knappe 10 km insgesamt.
Ein etwas historischeres Höhlenerlebnis wartet in der Höhle Vo Nguyen Giap auf dich, die etwa eine Stunde südlich von Dong Hoi außerhalb des Nationalparkgebiets liegt und erst im Januar 2019 für Besucher geöffnet wurde. Dieser Autor war der erste Amerikaner, der jemals ins Innere der von General Giap (der in der Nähe aufwuchs) und nordvietnamesischen Soldaten während des Vietnamkriegs genutzten Höhle gelangte. Du besuchst eine indigene Gemeinde und zwei, manchmal beengte, Höhlen, wo du in beiden ein paar Baukonstruktionen aus Kriegszeiten sehen wirst.
Mehrtagestouren
Zu einem Preis ab etwa 220 EUR (rund 10 % der Kosten für die 4 - Tages - Sơn - Đoòng - Wanderung) kann man einen 2 - tägigen Trip machen. Die Trips beinhalten sämtliches Essen und Campingzubehör, und das Campinglager wird üblicherweise in der Nähe von Badelöchern aufgeschlagen, um sich den Schmutz des Tage abspülen zu können.
Eines der Highlights mit Übernachtung ist Hang Én, das Tor zur Sơn - Đoòng - Höhle und eine riesige Attraktion für sich. Tatsächlich handelt es sich um die drittgrößte Höhle der Welt – und ein Wahnsinnserlebnis mit einem dramatischen, bogenförmigen Eingang und voll von Seglervögeln und sich inmitten der lindgrünen Berge eröffnend.
Man startet mit einer anspruchsvollen Wanderung über zackige Steine und isst dann in einem indigenen Dorf zu Mittag, das nur zu Fuß mit der Außenwelt verbunden ist. Man erkundet die kolossale Dunkelheit mithilfe der Helmlampen und des gelegentlichen Sonnenstrahls, der die Dunkelheit durch unsichtbare Öffnungen in der Höhe durchdringt. Träger transportieren sämtliche Campingausrüstung und Lebensmittel und errichten ein Campinglager an einem Strand im Inneren der Höhle – spektakulärer geht es nicht.
Eine der neuesten Optionen mit noch weniger Besuchern ist eine 2 - tägige Wanderung, um die viertgrößte Höhle der Welt zu sehen: Hang Pygmy, eine „Schwesterhöhle“ der Sơn - Đoòng - Höhle, die 2018 für die Öffentlichkeit geöffnet wurde. Der Campingplatz befindet sich direkt im Inneren der dschungelartigen Öffnung zur Höhle.
Die Große: Sơn - Đoòng
Ein Einheimischer entdeckte 1991 zufällig die Öffnung der weltweit größten Höhle, Sơn - Đoòng, und im Jahr 2009 wurde das Höhleninnere von der British Cave Research Association unter Leitung von Howard Limbert schließlich vollständig erforscht. Sie erstreckt sich über rund 9 km (Tendenz steigend, da britische Höhlenkletterer im April neue Tiefgänge entdeckten) mit unterirdischen Dschungelwäldern, Eingängen, die breit genug sind, dass ein Düsenjet hineinfliegen könnte (nicht ratsam) und etwa 91 m hohen Hohlräumen im Inneren. Vier Jahre später begannen Touristen, hineinzugehen.
Die Trips sind nichts für Anfänger oder Preisbewusste. Die 3 Nächte umfassende Wanderung (mit 2 Übernachtungen in der Sơn - Đoòng - Höhle) kostet etwas mehr als 2.600 EUR und ist auf maximal 1.000 Besucher pro Jahr beschränkt. Sie beinhaltet eine rund 24 km lange Dschungelwanderung, häufig über zerklüftete Felsen, sowie weitere knappe 9 km Höhlenklettern, wobei man sowohl Seilklettern als auch eine rund 91 m hohe Wand erklimmen muss. Hinzu kommen ständige Überraschungen wie das Mittagessen in einem Minderheitendorf tief im Dschungel, die Übernachtung am Strand im Inneren der Höhle Hang Én (siehe oben) oder Wanderungen durch surrealen unterirdischen Dschungel mit 30 m hohen Bäumen und Affen auf dem Grund der Senke der Höhle.
KURZÜBERSICHT
Beste Reisezeit: Die Höhlensaison dauert von Mitte Dezember bis August. Vermeide die heftige Monsunzeit (Mitte September bis Mitte November), wenn Höhlentouren ausgesetzt sind und Dörfer und Höhlen regelmäßig geflutet werden.
Touranbieter:
Lokale Touranbieter genießen exklusiven Zugang zu zahlreichen Höhlen, für wen du dich entscheidest, bestimmt also du. Die klaren Vorreiter sind Oxalis (die Pionierorganisation für Höhlen, mit der du die Sơn - Đoòng - Höhle und Hang Én zu sehen bekommst) und Jungle Boss (deren lokale Guides selbst zahlreiche Höhlen in der Gegend entdeckt haben). Beide beschäftigen fast ausschließlich Einheimische, bieten ausführliche Sicherheitsunterweisungen und bieten ein Rundumpaket, einschließlich Wasserflaschen, warmen Mahlzeiten auf dem Weg, Transfer und Hilfestellung auf rutschigen Abschnitten.
Sicherheit und Bedenken:
Man muss keine Höhlenerfahrung haben, um an einer dieser Touren teilzunehmen, man sollte sich aber über den Umfang der Dschungelwanderung bewusst sein. Eine Strecke von rund 8 km oder mehr, die über Kalksteinpfade führt, ist ziemlich strapaziös. Außerdem wird es sehr heiß sein. Zudem müssen möglicherweise Stegbrücken überquert werden, und es gibt Giftefeu, das man vermeiden sollte, und – offen gesagt – ein oder zwei Blutegel, die man wegschnippen muss.
Aufgrund der schieren Größe der Höhlen ist es in den meisten Fällen nicht erforderlich, zu kriechen oder sich durch enge Kammern zu quetschen. Einige Höhlen sind „trocken“, wo du an riesigen Formationen vorbei oder darüber kletterst, manchmal mithilfe von Seilen und Sicherheitsgurten. In „nassen Höhlen“ schwimmst du durch unterirdische Flüsse. Alle Touranbieter stellen Helme mit Lampen und Rettungswesten zur Verfügung.
Lies sorgfältig die Tourbeschreibungen (und die Packliste), bevor du dich für die für dich am besten passende Option entscheidest.
Ein Reisebericht von Robert Reid