Memphis Tours

Dienstag, 18. April 2023

Kasbahs, Schluchten und Oasen - über den Süden Marokkos

Der Südosten Marokkos ist landschaftlich wie kulturell eine Offenbarung.

„Hier wachsen Datteln, Aprikosen, Oliven, Mandeln, Feigen, Trauben und Granatäpfel“, zählt Moulay auf, nur das Wort „Maulbeerbaum“ will ihm partout nicht stolperfrei über die Lippen kommen. Macht aber nichts: Mit schallendem Gelächter untermalt er seine gelegentlichen putzigen Abstecher ins Deutsche und empfängt dafür zu recht Lob und Beifall seiner Gäste. Der quirlige Berber führt uns durch die Oase von Tinerhir. Eine der größten im Süden Marokkos und eine der schönsten dazu: Das dunkelgrüne Band von Abertausenden Dattelpalmenwipfeln kontrastiert ausgesprochen malerisch mit den rostroten schroffen Felsen in seinem Rücken.

Schon die puren statistischen Daten nötigen Respekt ab - die Oase ist 24 Kilometer lang und versorgt 30.000 Familien mit Obst, Gemüse, Getreide, Tee, Gewürzen sowie Holz und Palmwedeln als Bau - und Brennstoff. Doch wie sich das konkret gestaltet, mit welch Fleiß und Erfindungsreichtum die Bauern jeden Tropfen Wasser nutzen, um dem extremen Umfeld ihre Lebensgrundlagen abzuringen, bringt uns immer wieder zum Staunen.

Nur einmal trübt sich Moulays blendende Laune auf diesem ebenso lehrreichen wie amüsanten Spaziergang. Als wir am Wegrand auf teils verrottete, teils abgefackelte Palmstämme stoßen, erzählt er von der mysteriösen Krankheit, die Bäume in ganz Nordafrika befallen und auch um Tinerhir keinen Bogen gemacht habe. Eine echte Katastrophe, „denn für uns ist die Dattel so lebenswichtig wie für Euch Europäer Kartoffeln oder Brot.“ Und um Allah zu beschwören, den Fluch zu bannen, hebt er plötzlich die Hände und spricht magische Formeln in den wolkenlosen Himmel. Sein Glaube wird Berge versetzen, so hoffen wir. Inschallah!

Zauber - diesmal für die Augen - ist im Spiel, wenn es um den Fluss Todra geht, der übrigens das Oasenwunder erst möglich macht. Er entspringt im Hohen Atlas und sprudelt in großen Schleifen durch imposante Berge, die sich kurz vor Tinerhir dramatisch verengen. Hier fallen die 300 Meter hohen Steilwände beinahe senkrecht ab, und der schmalste Durchgang misst gerade mal 10 Meter. Eine umwerfende Landschaft, in der man sogar übernachten kann - zwei einfache Hotels machen´s möglich.

Nur zwanzig Kilometer weiter lockt schon die nächste spektakuläre Schlucht. Diesmal ist es der Dades, der sich ein grandioses, wild zerklüftetes Flussbett durch steinerne Märchenkulissen gefräst hat. Auch hier sprenkeln Oasenfelder mit saftigem Grün und Obstbäume mit pastellfarbenen Blüten leuchtende Tupfer ins nackte Braun der Berge. Und für gesteigerten optischen Reiz sorgen prächtige Kasbahs und dekorative Kasbah - Ruinen, deren eingefallene Türme wie Zahnstummel gen Himmel ragen.

In den nächsten zwei Tagen werden diese für den Süden Marokkos so typischen Lehmbauten unsere ständigen Begleiter sein. Allein im Dades - Tal soll es tausend Kasbahs geben, und auch wenn diese Zahl eher des touristischen Slogans wegen publiziert wird und auch typologisch längst nicht alles Kasbah ist, was für uns wie Kasbah aussieht, wir haben längst aufgehört zu zählen, was da links und rechts an Flussufern oder Berghängen lehmfarben emporwächst und genau jene unglaubliche Exotik entfaltet, die man von Marokko erhofft.

Majoub, unser stets freundlicher, umsichtiger und allwissender Fahrer, setzt noch einen drauf. Er kennt auch Perlen abseits der touristischen Trampelpfade und führt uns so zum Beispiel zum behutsam renovierten Kasbah - Schmuckstück von Amridil in der Oase Skouna und dem nicht minder trutzigen Bauwerk von Tifoultoute in Ouarzazate.

Hauptattraktion dieses boomenden Wirtschafts - und Tourismuszentrums ist - natürlich wieder eine Kasbah. Der wuchtige und verschachtelte Wohnburg - Komplex von Taourirt war einst Residenz des berühmt - berüchtigten Berberfürsten El Glaoui. Dieser kontrollierte alle Pass - Straßen, unterwarf rücksichtslos andere Berber - Klans, zwang Oasenbauern zu Tributen und etablierte ein Feudalreich, das bis 1956 bestand. Dann brach ein geplanter Sturz des Sultans den bis dato allmächtigen Glaoui das Genick - und ihr gesamter Besitz wurde enteignet.

Ein weiterer Höhepunkt jeder Marokko - Reise liegt eine halbe Stunde nördlich von Ouarzazate: Ait Benhaddou, das berühmteste aller südmarokkanischen Stampflehmdörfer, das mit seinen Türmen, Zinnen und teils schießschartengroßen Fensteröffnungen wie eine uneinnehmbare Festung wirkt und seit 1987 zum UNESCO - Welterbe gehört.

Schon die Lage ist überaus malerisch. In der Ferne verschmelzen die schneebedeckten Viertausender des Hohen Atlas mit dem blassblauen Himmel. Davor eine surreale Ödnis, in die sich das rotbraune Dorf, umgeben von Obstgärten und kleinen Feldern, so harmonisch an den steilen Hang schmiegt, als sei es von Natur aus entstanden.

Kein Wunder, dass Ait Benhaddou mit diesem Flair vor vielen Jahren schon ins Fadenkreuz einer speziellen Industrie geriet. Hollywood drehte schier durch vor Begeisterung und, ungeachtet extremer klimatischer Bedingungen und heftiger logistischer Probleme, einen Monumentalschinken nach dem anderen.

Der alte Youssuf war bei jedem am Set dabei und zählt wie aus der Pistole geschossen auf: 1961 „Lawrence von Arabien“, womit für Omar Sharif die internationale Karriere begann. Ein Jahr später „Sodom und Gomorrha“ unter der Regie von Robert Aldrich. Martin Scorsese drehte hier 1988 Szenen des umstrittenen Films „Die letzte Versuchung“. Steven Spielberg ließ für „Die Jagd nach dem Juwel vom Nil“ Michael Douglas mit einem Jet durch ein riesiges Tor düsen, dass täuschend echt vor die originale Kulisse gebaut wurde und heute noch so aussieht, als habe es schon immer dazugehört. Und natürlich erinnert sich der alte Mann noch bestens an den Sklavenmarkt und die Kampfszenen aus „Gladiator“, als Protagonist Russell Crowe erstmals in die Arena muss - zum Kampf auf Leben und Tod.

Ein Reisebericht von Ekkehart Eichler

Montag, 17. April 2023

Magisches Mexiko

Präkolumbianische Kultstätten, koloniale Grandezza und umwerfende Naturkulissen – die südlichen Bundesstaaten Oaxaca und Chiapas bündeln Mexiko wie im Brennglas.

Seltsam sehen sie aus, diese Figuren auf den steinernen Reliefplatten von Monte Albán. Denn negroid wulstige Lippen, knubbelige Nasen, schwere Augenlider und manchmal sogar Bärte entsprechen so ganz und gar nicht dem gängigen Bild der vorkolonialen Bewohner Mexikos. Überdies sind die Gestalten dargestellt in eigentümlich verrenkten Posen, die gemeinhin als Tanz interpretiert werden. Es könnte sich aber auch um Opfer oder gar Tote handeln – ganz sicher sind sich die Experten nicht. Wie bei so vielem, wenn es um die uralte und noch immer rätselhafte Hochkultur der Zapoteken geht.

Völlig klar aber ist: Monte Albán ist eine der ältesten, bedeutendsten und in ihrer symmetrischen Harmonie zweifelsfrei auch schönsten Kultstätten Mesoamerikas. Reichlich tausend Jahre, bevor Hernán Cortés dem Reich der Azteken mit List, Tücke und Donnerbüchsen den Garaus machte, kappten die grandiosen Zapoteken - Baumeister zunächst die komplette Kuppe des „Weißen Berges“ und bauten auf dem nun platten Plateau über den Wolken ein prächtiges Zeremonialzentrum. Mit Pyramiden, Tempeln und Palästen für ihre Götter, Könige und Priester. Zur Blütezeit der Stadt – zwischen 500 und 800 n. Chr. – lebten 25.000 Menschen in der luftigen Höhe von Monte Albán. Und das, obwohl jeder Tropfen Wasser mühselig in Krügen den Berg hinauf geschleppt werden musste.

Ganze 12 Kilometer sind es von dieser Top - Attraktion mit der tollen Aussicht bis nach Oaxaca, die Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates. Eine urbane Perle, deren spezieller Charme in der Mischung aus indianischen Traditionen und kolonialer Pracht besteht. Ein ganzjährig frühlingshaftes Klima und eine im Vergleich zu anderen mexikanischen Städten beschauliche Gangart des Lebens steigern zusätzlich die Attraktivität der Stadt.

Ihre Besucher sollten sich deshalb durchaus ein paar Tage Zeit nehmen: für Monte Albán und Mitla, die Totenstadt der Mixteken mit ihren irren geometrischen Ornamenten. Für Bilderbuch - Kirchen wie La Soledad und Santo Domingo, die zu den bedeutendsten ganz Mexikos zählen. Für den Mixtekenschatz aus einem Grab auf dem Monte Albán mit Exponaten aus Gold, Silber und Jade. Für Benito Juárez, den großen Zapoteken - Sohn der Stadt, der Mitte des 19. Jahrhunderts als bisher einziger Indio Präsident wurde und als mexikanischer Abraham Lincoln höchste Wertschätzung genießt.

Und nicht zuletzt natürlich für die Atmosphäre. Denn selbstverständlich brodelt auch in Oaxaca das Leben mit einer für Mitteleuropäer ungewohnten Lautstärke und Energie. Vor allem abends, wenn sich alle Welt am Zócalo trifft, dem zentralen Platz jeder hiesigen Stadt. Von schmiedeeisernen Bänken unter mächtigen Lorbeerbäumen und aus Straßencafés unter den umliegenden Arkadengängen lässt sich dann das bunte Gewusel perfekt beobachten: Straßenhändler, Garköche, Schuhputzer, Artisten, Tänzer und Musikkapellen, die auf der Rundbühne ihre Schmachtfetzen in den lauen Himmel tröten, sorgen für eine unbeschwerte, heitere Stimmung bis tief in die Nacht.

Eine Tagesreise weiter gen Osten zeigt der Bundesstaat Chiapas zunächst ein landschaftlich spektakuläres Gesicht: den Sumidero - Cañon. Eine Schlucht, tief ausgefräst vom Rio Grijalva, der – von mehreren Staumauern gebändigt – nicht nur jede Menge Strom liefert, sondern auch ein touristisches Erlebnis der Extraklasse.

Mit schnittigen Wasserflitzern nämlich geht es auf Spritz - Tour durch eine Welt extrem steiler Felswände, die bis zu tausend Meter hoch aufragen und bisweilen dramatisch in den Fluss zu stürzen drohen. Alte Geschichten erzählen, dass einst manch von den Spaniern in die Enge getriebene Indianer der Versklavung oder dem grausamen Tod ein blitzschnelles Ende vorzog – durch den Sprung in die schier bodenlose Tiefe.

Doch nicht nur damit punktet der Cañon. Raubvögel ziehen hier ungestört ihre Kreise. Leguane dösen in Bäumen. Spinnenäffchen turnen durchs Geäst. Ein Krokodil tankt Sonne auf einem Felsen. Pelikane hängen auf Zweigen ab. Reiher über Starten und Landen. Sumidero ist auch ein paradiesischer Lebensraum mit neuen Überraschungen nach jeder Flussbiegung.

Über San Cristóbal de las Casas, die ebenfalls sehr sehenswerte Hauptstadt von Chiapas geht es schließlich nach Palenque – zum größten kulturellen Schatz des Bundesstaates und einem absoluten Höhepunkt jeder Mexiko - Reise. Denn was dort in heißem und feuchtem Dschungel unter Urwaldriesen einst entstand, dann in fast tausendjährigem Dornröschenschlaf komplett überwucherte, kurz vor 1800 wiederentdeckt, seit 1940 systematisch erforscht und bis heute zu gerade mal zehn Prozent wieder freigelegt wurde, strahlt eine Faszination aus, der sich kaum jemand entziehen kann.

Palenque – das ist nicht mehr und nicht weniger als das größte und beeindruckendste Zeremonialzentrum der Maya in Mexiko. Die heute erhaltene Anlage entstand ab 642 n. Chr. unter Herrschaft des Priesterkönigs Pakal, der unfassbare 68 Jahre regierte und 683 starb. Sein Grab mit Sarkophag und prächtigen Beigaben wurde 1952 im Tempel der Inschriften entdeckt, einer Stufenpyramide, die sich auf acht Plattformen bis auf imposante 21 Meter in die Höhe streckt.

Das zweite dominierende Bauwerk ist Pakals Palast – eine prachtvolle Residenz mit Innenhöfen, Säulengängen, Passagen, Tunneln, Treppen, Terrassen und überragt von einem vierstöckigen, quadratischen Turm – so etwas gibt es nirgendwo sonst in der Maya - Architektur. Aber nicht nur die Baumeister, auch die Künstler von Palenque hatten allerhand zu tun, denn die gesamte Metropole war seinerzeit über und über mit Stuck verziert und in lebhaften Farben bemalt – vor dem Hintergrund des dunkelgrünen Regenwaldes muss das ein noch aufregenderer Anblick gewesen sein als Palenques majestätische Ruinen für die Besucher von heute.

Ein Reisebericht von Ekkehart Eichler

Sonntag, 16. April 2023

Burgen, Berge, Beduinen - über das Sultanat Oman

Als landschaftlich wie kulturell faszinierendes Reiseziel hat sich das Sultanat Oman erfolgreich auf der touristischen Weltkarte etabliert.

Qaboos ist überall. Ob in quirligen Souks oder winzigen Supermärkten, ob in pompösen Hotelfoyers oder schlichten Restaurants – omnipräsent lächelt der freundliche Mann mit dem sorgfältig gestutzten silbrigen Bart und dem traditionellen omanischen Kopfschmuck seinen Landsleuten zu. Das Besondere daran: Qaboos regiert mit absoluter Macht und genießt dennoch ein unvorstellbares Maß an Beliebtheit, Verehrung und Popularität.

Was nämlich der Sultan in vierzig Jahren Regentschaft für den Oman geleistet hat, ist ohne Beispiel in der arabischen Welt. Als er 1971 seinen Vater unblutig aus Amt und Palast putschte, war das Land ein bettelarmer isolierter Feudalstaat. Heute verbinden mehrspurige Nationalstraßen entfernteste Bergregionen, verfügt selbst das kleinste Dorf über eine Schule, erhalten alle Bürger kostenlose medizinische Versorgung in bestens ausgestatteten Krankenhäusern. Und viele andere Sozialleistungen mehr.

Den Oman in ein modernes Land mit Wohlstand für alle zu verwandeln und dabei keineswegs die Traditionen aus dem Auge zu verlieren, ist ein weiteres Verdienst des Landesvaters. Beispielhaft etwa die aufwändige Restaurierung diverser Burgen, Forts und Wachtürme, von denen es im Nord - Oman geradezu wimmelt.

Nakhal zum Beispiel. Eine Stunde westlich der Hauptstadt Muscat thront inmitten einer üppigen Oase am Fuß des Hajar - Gebirges die mächtige Festung mit sechs Wehrtürmen, deren Ursprünge mehr als eintausend Jahre zurückreichen. Vollständig und vorbildlich restauriert, erstaunt die wuchtige Anlage nicht nur durch ihre Trutzhaftigkeit; sie gehört auch zu den wenigen Forts im Oman, deren Räume möbliert und mit Exponaten wie traditionellen Küchengerätschaften und Waffen ausgestattet sind.

Ein herausragendes Beispiel für die ganze Pracht moderner islamischer Baukunst repräsentiert die Sultan Qaboos Grand Moschee in Muscat. Das imposanteste und einzige Gotteshaus im Oman, das auch Nichtmuslime betreten dürfen, bietet Platz für 20.000 Gläubige und steckt voller Superlative. Fünf Minarette etwa symbolisieren die fünf Säulen des Islam. Der Kuppel - Kronleuchter ist ein 15 Meter hohes und acht Tonnen schweres Unikat aus Svarovski - Kristall. Und der 4.263 Quadratmeter riesige Teppich – ein Meisterwerk persischer Webkunst – zählt zu den größten der Welt.

Frappierend ist aber auch die Freundlichkeit des Omani im kleinen Moschee - Infocenter. Erst serviert er Datteln und Kaffee, dann folgt ein entspanntes Gespräch über Sultan, Islam, Koran und Oman generell. Und sogar gegen ein Abschiedsfoto hat er nichts einzuwenden – so eine Chance auf ein schönes Porträt bekommt man im Oman nicht immer so schnell.

Manche seiner Schätze gibt das Land aber auch nicht so leicht preis. Eben noch auf schnurgerader Autobahn unterwegs, rumpeln wir jetzt über rauen Schotter durch wilde Kulissen. Guide Rachim und sein Geländewagen zeigen, was in ihnen steckt, und zur Belohnung gibt´s eine dicke Überraschung. Im Wadi Arbayeen nämlich strahlt eine ganze Kette von Naturpools in verschiedenen Grün - und Blautönen um die Wette – ein entzückender Kontrast zu den schroffen Bergen drum herum. Zauberhafte Plätzchen zudem für ein erfrischendes Bad und ein ausgiebiges Picknick unterm Schattendach der Dattelpalmen.

Auch im Wadi Bani Khalid tanzen hauchzarte Libellen über glasklares Wasser, sonnen sich blaue Echsen auf heißen Steinen, betteln langhaarige Ziegen um ein paar Bröckchen Futter – auch diese natürliche Poollandschaft ist ein perfektes Idyll. Zumal hier unter der Woche so gut wie kein Betrieb herrscht. „Freitags sieht das ganz anders aus, dann kommen die omanischen Familien in Scharen zum Picknick und Baden“, erzählt der Bademeister, der sich heute mit dem Herausrupfen von Grünpflanzen die Zeit vertreibt.

Auch für die Wüstenlandschaft der Wahiba Sands bleibt der Land Cruiser obligatorisch. Rachim „schwimmt“ mit uns durch den rot - gelben Sand und hat sichtlich Spaß dabei. Düne rauf mit Vollgas und Düne wieder runter, stundenlang könne er das am Stück, überkräht er fröhlich den Motorenlärm - bei einigen Passagieren hält sich dieses Vergnügen in überschaubaren Grenzen.

Nach dem Nervenkitzel der Dünen - Achterbahn jedenfalls landen wir in einer friedfertigen und blitzsauberen Palmstroh - Hütte, die mit großen Teppichen ausgelegt und mit bunten Sitzkissen möbliert ist – eine alteingesessene Beduinenfamilie verwöhnt hier ihre Gäste mit Kaffee, Datteln und der nationalen Süßspeise Halva.

Wie bei omanischen Beduinen üblich, trägt die Herrin des Hauses eine schnabelartige Gesichtsmaske, mit der sie Batwoman nicht unähnlich sieht. Wären da nicht die mit Henna bemalten Hände und Füße und eine ausladende Leibesfülle unter dem knallblauen Gewand: Das hiesige Weiblichkeitsideal weicht diametral ab von westlichen Schönheitsmustern.

Auch die Mädels im Hof sind nicht ohne. Zwei Kameldamen nebst Baby haben sich in uns verguckt und schäkern wie verrückt in der Hoffnung auf den einen oder anderen Leckerbissen. Ein paar Äpfel und etwas Brot steigern diese Liebe ins Unendliche, der Abschied von den verfressenen Tieren und ihren ulkigen Physiognomien fällt wirklich nicht leicht.

Die Schatzkammer Oman hat aber noch wesentlich mehr Perlen im Kollier: Gigantische Oasen mit Abertausenden von Dattelpalmen und ausgeklügelten Bewässerungssystemen. Bizarre Berglandschaften mit Ruinenstädten und verlassenen Lehmdörfern. Das religiöse Zentrum Nizwa mit seinem einmaligen kreisrunden Fort sowie dem Silberschmuck - und Antiquitäten - Souk. Die Palastfestung von Jabrin mit prachtvollen Holzdecken und kalligraphischen Wanddekorationen. Die Hafenstadt Sur mit rustikalem Leuchtturm und traditionellen Dhauwerften. Und nicht zuletzt das Weihrauchland im Süden rund um die zweitgrößte Stadt Salalah. Alles in allem Programm genug für eine gut ausgefüllte Woche im Reich des einzigartigen Sultans Qaboos.

Ein Reisebericht von Ekkehart Eichler

Samstag, 15. April 2023

Moscheen, Medresen, Minarette - über die Oasenstädte Usbekistans

Chiwa, Buchara und Samarkand sind Usbekistans glänzendste Schmuckstücke.

Ein Mann sitzt vor dem Westtor von Chiwa. In langem Gewand, mit Turban, spitzem Bart und einem Dokument in der Hand sinniert er in überlebensgroßer Bronze über Gott und die Welt. So wie er es Zeit seines Lebens im 9. Jahrhundert getan hat. Mit bis heute überaus bedeutsamen Folgen für die Menschheit.

Zum einen nämlich führte der Mathematiker, Astronom und Geograph Muhamad Ibn al - Charizmi die indischen Ziffern inklusive der Null in seinen Kulturkreis ein, von wo aus die dann arabisch genannten Ziffern ihren Siegeszug durch ganz Europa und in alle modernen Zahlensysteme antraten. Zum zweiten war al - Charizmi nichts weniger ist als der geniale „Vater“ der Algebra und des Algorithmus - wie übrigens auch sein Name verrät.

Der Universalgelehrte stammte aus Choresmien. Einer großen Oase im heutigen Nordwesten Usbekistans, deren Hauptstadt Chiwa vom Handel an der Seidenstraße profitierte und heutzutage eines der schimmerndsten Schmuckstücke im usbekischen Schatzkästlein ist. Ein Freilichtmuseum par excellence, dessen erstklassig aufgehübschtes Antlitz überwiegend aus dem 19. Jahrhundert stammt.

Auf vergleichsweise engem Raum buhlen in Chiwas belebter Altstadt hinter dem wulstigen Mauerring eine Festung, mehrere Moscheen und Mausoleen, zwei Paläste, jede Menge Medresen und eine Karawanserei um die Aufmerksamkeit der Besucher, die sich gut und gern einen Tag lang verführen lassen sollten vom Zauber des Ensembles und seiner Einzelstücke.

Zum Beispiel Kalta Minor, das unvollendete bzw. kurze Minarett. Besonders auffällig wegen des dicken Turmstumpfes und seines Kachelschmucks: Weil es ursprünglich alle anderen Minarette im muslimischen Osten in den Schatten stellen sollte, überzogen es die Architekten mit einem geschlossenen Ornamentgürtel aus blauen, türkisfarbenen, grünen und weißen Fliesen. Fantastisch!

Oder die Zitadelle, in der die Chane von Chiwa offiziell residierten. Hier ließen sie Münzen prägen und gaben Seidenscheine heraus, die bei Bedarf sogar gewaschen werden konnten - „Geldwäsche“ mal in des Wortes reinster Bedeutung und folglich ohne verruchten Beigeschmack.

Viele Wände sind hier wie mit Tapeten komplett verkleidet mit chiwatypischen Majoliken - hellblaue geometrische und florale Ornamente auf dunklem Untergrund. Über deren Feinheiten wissen die Profis Bescheid. „Vergleichen Sie einmal Thronsaal und Sommermoschee“, geht etwa Stadtführer Jurabek ins Detail. „Im Saal dominieren unruhige Muster, weil der Chan, der hier auch Gericht hielt, partout nicht einschlafen durfte. In der Moschee hingegen strahlen die Ornamente Ruhe und Harmonie aus - hier konnte der Herrscher gern mal ein Nickerchen machen.“ Hübsche Geschichte!

„Wie baut man eigentlich ein Minarett?“, wurde Nasreddin Hodscha einst gefragt. „Nun, das ist ganz einfach“, erwiderte der orientalische Eulenspiegel: „Man bohrt einen Brunnen, und dann dreht man das Ganze einfach um.“ Das bronzene Abbild des Schalks mit seinem Esel dürfte das populärste Fotomotiv in Buchara sein. Obwohl die Konkurrenz geradezu übermächtig ist. An Anzahl wie an Qualität.

Für Bucharas Wahrzeichen etwa hätte man nach Nasreddins Version im 12. Jahrhundert verdammt lange und tief buddeln müssen: Das Kalon - Minarett ist der Traum von einem orientalischen Turm. 46 Meter hoch sowie über und über mit Ziegelmauermustern dekoriert, ziert es die gleichnamige Riesenmoschee im Zentrum des mittelalterlichen Buchara.

Die Perle an der Seidenstraße mit ihren blau schimmernden Kuppeln und glänzenden Fassaden ist aber auch berühmt für ihre bildschönen Medresen: Die Ulug´bek - Medrese zum Beispiel hat eine reichgeschmückte Hauptfront. Die Medrese Abdelaziz Chan vis - a - vis entzückt mit Märchenlandschaften im Portalmosaik, die an indische Miniaturen der Mogulzeit erinnern. Die Medrese Devon Begi bezaubert mit Paradiesvögeln über dem Portalbogen. Die Mini - Arab - Medrese wiederum komplettiert allerliebst das Kalon - Ensemble und kann als einzige nur von außen bestaunt werden – sie dient wie einst und übrigens auch zur Sowjetzeit noch heute als islamisch - geistliche Lehranstalt.

Ein Komplex aus drei Medresen hat sich sogar zu Usbekistans nationalem Symbol und zum UNESCO - Weltkulturerbe aufgeschwungen. Er thront auf dem Registan in Samarkand und darf mit Fug und Recht als Spitzenklasse - Hingucker bezeichnet werden. Als nobelsten öffentlichen Platz der Welt haben entzückte Schwärmer den Registan immer wieder gepriesen, und da ist wirklich was dran: Für einen vergleichbar überwältigenden Eindruck müssten sich auf einem europäischen Platz drei Kathedralen gegenüberstehen. Vollkommen frei und ohne Häuser drum herum.

Die älteste der drei ehemaligen Islam - Hochschulen wurde um 1420 von Ulug´bek errichtet, dem Enkel des berüchtigten Timur. Anders als sein grausamer Großvater beschäftigte sich der hochgebildete Mann mit den Wissenschaften, allen voran der Astronomie. Passend dazu wurde „seine“ Medrese mit Sternenmotiven übersät.

Die Sherdor - Medrese genau gegenüber entstand gut zwei Jahrhunderte später fast als Spiegelbild. Zumindest in der Form von Fassade und Minaretten. Einmalig hingegen sind die tigerartigen Löwen auf dem Portal, die im Bauch die Sonne tragen und weiße Antilopen jagen. Wie auch in Buchara streng genommen ein Widerspruch zum islamischen Bilderverbot, doch auch dafür haben die hiesigen Fachleute plausible Erklärungen in petto.

Ein echtes Goldstück vollendet das umwerfende Panorama - die als Schule und Moschee zuletzt erbaute Tillakori - Medrese. Die „Goldbedeckte“ verdankt ihren Namen der im Hof gelegenen Moschee, deren Innenraum fast komplett mit dem edlen Metall überzogen wurde. Ein glänzender Abschluss - im doppelten Sinn.

Ein Reisebericht von Ekkehart Eichler

Sanatoriums - Vacabee - Oasis - Auras